Eine Art türkischer ADAC

■ Der frühere Präsident der Türkischen Gemeinde fordert Anerkennung von Migranten als Minderheit. Neue Interessenvertretung mit Dienstleistungsangebot

Der Präsident der neugegründeten „Türkischen Minderheit“, Mustafa Çakmakoglu, vergleicht seine Organisation gerne mit dem Automobilclub ADAC – ein Vergleich, der sich erst auf den zweiten Blick erschließt. Der ADAC ist Lobby und Massenorganisation, er hilft Mitgliedern in Notlagen und bietet auch andere Dienstleistungen an – ähnliche Pläne hat auch die neue türkische Interessenvertretung.

Der langjährige Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, der bei einer umstrittenen Wahl im Februar unterlag, will allein in Berlin 20.000 Mitglieder gewinnen. Noch sind es erst knapp 2.000. Langfristig will der Verein bundesweit und auch europaweit aktiv werden. Ansprechpartner in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und der Schweiz habe man bereits.

Die neue Interessenvertretung bietet Mitgliedern verschiedene Dienstleistungen an. Als Anreiz, dem Verein beizutreten, winken preiswerte Übersetzungen und eine kostenlose Rechtsberatung für Mitglieder. Mit Versicherungsunternehmen will Çakmakoglu über günstige Tarife für Mitglieder sprechen. Ein Sozialfonds soll Immigranten helfen, die in eine Notlage geraten sind.

Die Ausbildungschancen der zweiten und dritten Generation sollen verbessert werden. Um die Kenntnisse in beiden Sprachen zu verbessern, will der Verein deutsch-türkische Kitas und ein Türkisches Gymnasium als Privatschule einrichten. Wozu eine solche Privatschule dienen soll, wo es doch bereits eine deutsch-türkische Europaschule gibt? Deutsche Eltern würden das Angebot nur zurückhaltend nutzen, argumentiert Çakmakoglu. Das Türkische Gymnasium sei attraktiver, weil es als Eliteschule konzipiert sei.

Mit der Senatsschulverwaltung hat er indes noch nicht über das Vorhaben gesprochen. Auch die Trägerschaft ist noch unklar: Gedacht ist an eine Stiftung oder einen weiteren Verein. Über die Zahl seiner aktiven Mitstreiter schweigt sich Çakmakoglu aus. Auch die Vorstellungen, woher das Geld für den Sozialfonds kommen soll, sind eher vage. An Lottogelder ist gedacht, sowie Spenden und Sponsoren.

Als politisches Ziel der Organisation nennt Çakmakoglu die Anerkennung der Migranten als türkische Minderheit. Mit dem Minderheitenstatus will der 45jährige die Gleichbehandlung der Einwanderer erreichen – ein Konzept, das in anderen Migrantenorganisationen auf Kritik stößt. „Für die Gleichberechtigung brauchen wir keinen Minderheitenstatus“, sagt der Sprecher des Türkischen Bundes, Safter Çinar. Er gibt außerdem zu bedenken, daß die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als Minderheit nicht erfüllt seien: So müßten die Angehörigen der Minderheit die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und über „geschlossene Siedlungsgebiete“ verfügen.

Die Idee eines Türkischen Gymnasiums, die Çinar als früherer stellvertretender GEW-Vorsitzender noch abgelehnt hatte, befürwortet er inzwischen. Çinar verspricht sich davon bessere Lernerfolge, weil die SchülerInnen nicht diskriminiert würden. Einen Segregationseffekt sieht er nicht. Die Einrichtung einer solchen Schule setze allerdings einen Staatsvertrag voraus. Den wiederum könne nur eine gemeinsame Vertretung aller Türken erhalten. „Wenn jeder seine eigene Organisation gründet“, sagt er mit einem Seitenhieb auf Çakmakoglu, „wird das nichts.“ Dorothee Winden