Ergüsse einer ganz normalen Jugend

■ Die jungen Männer von Stony Sleep fertigen einen Teenpop mit Tendenz zur Psychose

Die einen werden von ihren geschockten Eltern in die Psychoanalyse geschickt, die anderen versuchen sich als Popstars. Ben Smith hat gerade den zweiten Weg eingeschlagen. Dem Songwriter, der vor kurzem seinen 18. Geburtstag gefeiert hat, schwirrt allerlei Verstörendes im Kopf herum. Er wird von Phantasmagorien heimgesucht, in denen Fäkalien, Tötungsinstrumente und käufliche Liebe wesentliche Rollen spielen.

Gerade hat er mit seiner Band Stony Sleep das erste richtige lange Album aufgenommen. Music For Chameleons handelt von all den grausamen Gedanken, die seine junge Seele schon heimgesucht haben, und am Ende klagt er: „I'm a little boy/but I don't think like a boy.“Was natürlich gelogen ist. Denn Ben hat Gedanken wie jeder ernstzunehmende junge Mensch – voller Gewalt und Angst und Sehnsucht. Eine ganz normale Jugend also. Schließlich sind es immer nur taube und total frustrierte Erwachsene, die diese Zeit zur schönsten des Lebens verklären wollen.

So ein Glück im Unglück. Ben Smith ist noch nicht erwachsen, leidet also ganz akut unter seiner Jugend, ist aber schon alt genug, um ein paar Riffs so aneinanderzureihen, daß sie einen astreinen Song ergeben. In „She Had Me“, der das Album eröffnet, oder „Down By The Urineside“oder „Gas Chamber“kneten Stony Sleep noch einmal jene Tonfolgen durch, die seit Nirvana in den festen Kanon kathartischer Jugendmusik gehören. Aber im Gegensatz zu anderen nachgewachsenen Grunge-Hüpfern wie Silverchair vermeidet das Trio dabei allzu abgegriffene Metaphern für Schmerz und Einsamkeit.

Was wahrscheinlich auch an den Ambitionen von Ben Smith liegt. Mit zwölf wollte er Schriftsteller werden, doch nachdem er Dostojewskis Schuld und Sühne verschlungen hatte, verwarf er den Plan. „So entschloß ich mich, Musik zu schreiben. Denn nichts auf dieser Welt ist reiner als Musik“, spricht Ben ein bißchen sakral. Weltlicher sind da die Gründe seines noch einmal drei Jahre jüngeren Bruders Christian, Schlagzeug in seiner Band zu spielen: „Es ist völlig akzeptabel, wie ein Wichser auszusehen, wenn du ein Popstar bist.“

Eigentlich sollten Stony Sleep schon zur Veröffentlichung ihrer ersten Single vor einem Jahr in Hamburg spielen, aber das war leider nicht möglich, weil sie damals für wichtige Schularbeiten pauken mußten. Doch für ihren jetzigen exklusiven Deutschland-Auftritt im Heinz Karmers Tanzcafé hat Papi vermutlich mal ein Auge zugedrückt.

Christian Buß Do, 31. Juli, 22 Uhr, Heinz Karmers Tanzcafé