Höchste Deichbruchgefahr bei Hohenwutzen

■ Bewohner des nördlichen Oderbruchs werden evakuiert. EU sagt drei Millionen Mark zu. Bundesanstalt für Arbeit verspricht ABM-Stellen für Aufräumarbeiten

Potsdam/Brüssel (dpa/rtr) – Im Oderbruch bei Hohenwutzen ist gestern nachmittag ein Deichabschnitt auf einer Breite von 50 Metern abgerutscht. An dieser besonders sensiblen Stelle bei Altengliezen war der völlig durchweichte Damm schon mehrfach geflickt worden. Der Sprecher des Krisenstabs sagte: „Zu 97 Prozent geht der Deich wahrscheinlich flöten. Was das für das Oderbruch heißt, ist wohl klar.“ Sollte der Deich brechen, würde das gesamte nördliche Oderbruchgebiet entlang der Alten Oder, Wriezem und Bad Freienwalde zulaufen.

Die Bundeswehr setzte Hubschrauber zur Evakuierung der Bewohner ein. Im nördlichen Oderbruch hielten sich gestern noch etwa 650 Menschen auf, die das Gebiet schnellstmöglich verlassen mußten, teilte der Krisenstab in Bad Freienwalde mit. Die Menschen wurden mit Sirenen gewarnt und aufgerufen, ihre Häuser umgehend zu verlassen.

Aber auch die übrigen Deiche entlang des Flusses sind weiterhin so durchweicht, daß es auf der gesamten Länge von 167 Kilometern zu Brüchen kommen könne, sagte der brandenburgische Innenstaatssekretär Werner Müller.

Neben dem Wasser, das mittlerweile im unteren Flußlauf etwas schwächer schwappt, rollt nun das erste Geld in die Krisenregion. Die EU-Kommission hat gestern Hilfsgelder in Höhe von drei Millionen Mark bewilligt. Die EU-Hilfen sollen vor allem für die Trinkwasserversorgung eingesetzt werden. Polen und Tschechien hatten von der EU bereits fünf Millionen Mark erhalten. Die Treuhand-Nachfolgerin Boden- und Verwaltungs- GmbH will Landwirten, die im Hochwassergebiet gepachtete Flächen durch die Flut verloren haben, die diesjährige Pacht zinslos stunden. Insgesamt soll es dabei um zwei Millionen Mark gehen.

Neben den finanziellen Hilfen scheinen auch die Mittel für die Aufräumarbeiten nach Ende des Hochwassers gesichert zu sein. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, sagte zu, daß dafür zusätzliche ABM-Stellen eingerichtet würden. Es gebe keine Grenzen für die mögliche Zahl neuer Stellen. „Was gebraucht wird, werden wir aus dem Boden stampfen.“

Zu den inzwischen vielen Privatspendern für die Hochwasseropfer gehört auch das Boxidol Max Schmeling. Er überwies gestern 30.000 Mark auf das Spendenkonto. Es sei ihm „ein Herzensbedürfnis“, den Menschen zu helfen.

Der Naturschutzbund Deutschland fordert als Konsequenz aus der Hochwasserkatastrophe an der Oder eine Versiegelungsabgabe zur Renaturierung von Flußauen. Da die Umwandlung von Freiflächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen die Hochwassergefahr steigere, solle zugleich ein Beitrag geleistet werden, Auenwiesen wiederherzustellen.