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Getanzt wird mit dem Kopf

Die Leinwand als Raumelement: Simone Schmidt mit ihrer vierteiligen Film-Installation „Rotation zur See“ auf dem Kulturschiff Anna  ■ Von Elke Buhr

Können wir kommen?“ – „Neiiin! Noch niiiicht!“ Wie Kinder vor dem Weihnachtszimmer steht das Publikum vor dem Kunstschiff Anna und wartet auf Einlaß. Die Kerzen, einzige karge Dekoration auf dem weitgehend leeren Schiffsdeck, brennen schon. Endlich gibt auch der erste Projektor ein bißchen Licht ab, und alle dürfen die Treppe zum Schiff herunterklettern und sich ein Klappstühlchen nehmen.

Vier Leinwände unterschiedlicher Größe, leicht versetzt aufgestellt, teilen den Raum. Die Zuschauerinnen – Zuschauer sind keine da – sitzen in der Mitte. Jetzt muß nur noch das Bild scharf gestellt werden. Lautstark räsoniert die Künstlerin darüber, ob der eine Projektor schon immer so funzelig rüberkam. Der Kampf mit der Technik erinnert mehr an einen schlecht organisierten Super-8- Abend, dabei ist das Programm durchaus als Kunstexperiment gemeint.

Es geht um Tanz, um Bewegung und um deren Darstellung im Film. Ein großer Fächer ist das wichtigste Requisit der Tänzerin im spanischen Ballkleid, die in unterschiedlichsten Einstellungen auf den Leinwänden zu sehen ist. Die Künstlerin Simone Schmidt hat verschieden lange schwarzweiße Super-8-Sequenzen zu Endlosschleifen montiert; dazwischen immer wieder Schwarzbild. Mit einer leicht übertrieben wirkenden Expressivität, die an die Stummfilme der 20er Jahre angelehnt ist, blickt die Tänzerin in die Kamera, winkt verführerisch mit der behandschuhten Hand, dreht und windet sich im Fächer-Tanz.

Die weichen, flamencoartigen Bewegungen werden duch harte Schnitte und den ständigen Wechsel der Sequenzen zerteilt. „Rotation zur See“ ist der Titel dieses „minimalistischen Tanz-Kinos“. Hin und her geht der Blick, von einer Leinwand zur anderen, und erfaßt dabei immer neue Fragmente von Bewegungen.

Ein interessanter Effekt: Dem Rhythmus des Tanzes, der rhythmischen Folge der Sequenzen auf jeder Leinwand, der unterschiedlichen Kombinationen der Szenen auf allen vier Leinwänden fügt der Zuschauer seine eigene Kopfbewegung hinzu. Es entsteht ein Mosaik von Bewegungseindrücken, die in ihrer Flüchtigkeit zunächst ganz auf der Oberfläche des Bewußtseins daherflattern, durch die ständige Wiederholung dann aber doch zu einprägsamen Miniaturen werden.

Das Prinzip der wechselnden Bewegungs- und Körperbilder hat Simone Schmidt in mehreren Variationen fortgesetzt. Heute abend zeigt sie den „Hexentanz“: wiederum 20er-Jahre-inspirierte Tanzszenen mit Baum. Am Samstag abend ist das Programm „Verlorenes Ballett“ zu sehen. Hierfür hat sie eine Frau gefilmt, die vor Jahren klassisch getanzt hat und versucht, die alten Bewegungen wiederzufinden. Am Sonntag schließlich wechselt die Szenerie zur Kampfkunst und zum Körpertraining an den Maschinen der Fitneß-Industrie. Gedacht zum Hinsetzen, ein bißchen gucken und nach 20 Minuten wieder gehen. Elke Buhr

1., 2. und 3.8. jeweils 22 Uhr, Kunstschiff Anna, Fischerinsel

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