Sind Sie glücklich?: „Bei der Armee war es 'ne schöne Zeit“
■ 11 Uhr, Wittenbergplatz: Weil seine Zukunft auf den Berliner Baustellen ungewiß ist, erinnert sich Horst Lengyel gern an die wilden Jahre bei der NVA zurück
„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Wittenbergplatz und dem Alexanderplatz um.
Der 50jährige Bauarbeiter Horst Lengyel: Was ist schon Glück? Am glücklichsten war ich eigentlich bei der Armeezeit, in der ehemaligen DDR als junger Kerl. Ich war in einer Wach- und Bedienungseinheit in Straußberg, wir haben Kinder mit dem Bus zum Kindergarten gebracht, viel Wache geschoben, viel Fußball gespielt. Da waren wir alle junge Bengels gewesen, 18 oder 19, da hat man sich auch ausgetobt. Mit 'n bißchen zuviel Alkohol manchmal; aber da hat man draus gelernt, weil man dann ja auch bestraft wurde. Man wollte als 18jähriger eben von Zuhause weg. Bei der Armee war es 'ne schöne Zeit, die hat einen geprägt.
Heute bin ich mit meiner Familie glücklich, berufsmäßig aber nicht so sehr. Ich arbeite auf dem Bau, und da ist die Lage etwas prekär. Es ist zwar ein Haufen Arbeit hier in Berlin, aber wenn man auf den großen Baustellen die Leute fragt, dann kommt: „Nix verstehen, nix deutsch“. Und die Berliner werden entlassen. Man wäre beruhigter, wenn auch ein bißchen mehr für die Deutschen gemacht würde; Deutschland ist ja nur noch Europa. Als hier der Streik losgegangen ist, war das für meine Frau noch schwieriger; die hat noch gar nicht so richtig die Dimensionen gesehen. Zu Hause verdrängt man das aber manchmal. Meine Frau sagt immer: Früher hast du das Geld verdient, jetzt muß ich halt ein bißchen mehr einbringen. Sie arbeitet schon seit 30 Jahren bei der Sparkasse. Und die Ansprüche sind ja auch nicht mehr so hoch. Aber ich hab' Verwandte in Ungarn: Was die für Renten und Gelder kriegen, da können wir hier noch glücklich sein. Eigentlich kein Wunder, daß alle zu uns kommen. Basil Wegener
Heute stehen wir auf dem Alexanderplatz.
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