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„Löchrig ein Schweizer Käse“

Mietervereine kritisieren Verordnung gegen Wohnraumzweckentfremdung: Behörden gehen zu selten gegen Leerstand vor  ■ Von Marco Carini

Während tausende HamburgerInnen eine bezahlbare Bleibe suchen, stehen nach einer Schätzung des Mietervereins zu Hamburg „rund 5.000 Wohnungen aus Spekulationsgründen seit Monaten leer“. Weitere 30.000 Wohnungen, schätzt Mietervereins-Chef Eckhart Pahlke, würden rechtswidrig als Büro oder Praxis genutzt.

Den Hauptgrund für die großflächige Wohnraumvernichtung hat Pahlke bereits ausgemacht: „Den Bezirken fehlt das Personal, um Leerstände und Umnutzungen aufzudecken“. Die Verordnung, nach der die Bezirke Bußgelder wegen solcher Zweckentfremdungen verfügen könnten, sei „löchrig wie ein Schweizer Käse“, so Sylvia Sonnemann von „Mieter helfen Mietern“.

Allein in Wilhelmsburg spürte die GAL jetzt innerhalb von knapp drei Wochen 78 Wohnungen auf, die seit Monaten verwaist sind (taz vom 28.7.). Dem Bezirksamt waren hingegen innerhalb der vergangenen drei Jahre gerade mal 14 Leerstände bekanntgeworden. „Wir sind auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen, weil die Personaldecke zu dünn ist, um nach leerstehenden Wohnungen systematisch zu suchen“, erklärt die zuständige Sachbearbeiterin Susanne Ehlers die krasse Differenz zwischen beiden Zahlen.

In den übrigen Bezirken sieht es nicht anders aus. Während in Mitte immerhin 30 leerstehende Wohnungen aktenkundig sind, vermelden Eimsbüttel und Bergedorf: „Uns sind keine unrechtmäßigen Leerstände bekannt.“Natürlich wissen auch die dortigen Einwohnerämter von langfristig unvermieteten Wohnuungen, doch fast nie gelingt ihnen der Nachweis, daß es dabei nicht mit rechten Dingen zugeht.

Ein bezirklicher Wohnungspfleger, der lieber ungenannt bleiben möchte, weiß zu berichten: „Wenn ein Eigentümer eine Wohnung mit der Begründung leerstehen läßt, er würde gerade renovieren, reicht es aus, wenn er jedes Jahr eine Steckdose anmontiert. Damit kommt er vor Gericht glatt durch“. Viele BehördenmitarbeiterInnen seien aus diesem Grund „total frustiert“.

Eckhart Pahlke fordert deshalb „eine Umkehr der Beweislast vor Gericht“. Die Eigentümer leerstehender Wohnungen müßten beweisen, daß sie alles Erdenkliche unternommen haben, um die Behausungen schnellstmöglichst an den Mieter zu bringen. Um Leerstände häufiger aufzudecken plädiert seine Kollegin Silvia Sonnemann für eine „Mietenpolizei nach Frankfurter Vorbild“. In der Main-Metropole würden von den Behörden „systematisch Straßenzüge auf der Suche nach leeren und gewerblich genutzten Wohnungen durchkämmt“.

In der Baubehörde will man von der Forderung nach mehr Kontrollpersonal und der Verschärfung der Zweckentfremdungsverordnung nichts wissen. „Die Bezirke müssen ihre Personalhoheit nutzen, um die Prioritäten in Richtung Leerstandsbekämpfung zu setzen“, spielt Behördensprecher Matthias Thiede den Ball zurück. Zudem habe die Behörde 1993 die bezirklichen Überwachungsstellen personell aufgestockt und mit ihrer schärfsten Waffe – der fachlichen Weisung – die Zweckentfremdungsvorschriften verschärft.

Was Thiede vergißt: Die Baubehörde wurde auch damals erst aktiv, nachdem die Hamburger Mietervereine monatelang den Leerstand angeprangert hatten.

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