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Voll in die Eisen

Geschwindigkeitsbesessene Tüftler präsentieren ihre Konstruktionen bei der Liegerad-WM  ■ Aus Köln Gerd Michalek

„Bitte die Dame mit dem weißen Gewand, räumen Sie den Zielbereich“, tönt der Ansager, „sonst sehen Sie ziemlich matschig aus, wenn Sie ein Radler trifft.“ Dort, wo der Kölner Dom im rechten Winkel auf das Römisch-Germanische Museum trifft, liegt die Rennstrecke der Liegerad-WM, als fein konstruierte Winkelhalbierende. Kein Aufpasser steht am Wegesrand, rotweißes Absperrband ziert die 40 Meter lange Piste, die kurz vor der Kirchentreppe endet. Zwei-, dreimal hochschalten, dann müssen die Liegeradler voll in die Eisen gehen.

Von Weltmeisterschafts-Atmosphäre ist wenig zu spüren. Das Auftaktrennen zur achttägigen Liegerad-WM zeigt weder aufgeregte Trainer oder Masseure noch wildgewordene Medienmenschen. Es gibt nur gelassene Amateure, die solo kommen. Viele von ihnen sind auf ihren Rennmaschinen angereist. Soll man sich mal vorstellen! Jan Ullrich von Merdingen aus nach Rouen unterwegs, um sich für die Tour warmzufahren. Am Dom stehen keine aufwendigen Zeitmeßanlagen, und es gibt auch kein Zielfoto. Die Ausscheidungsrennen werden per Augenschein entschieden. „Nummer 14 und Nummer 25 sind weiter, Nummer 8 ist leider ausgeschieden.“

Wo sich kleine Menschentrauben um die Rennfahrer bilden, sind diese keineswegs der Mittelpunkt: „Wieviel Ritzel hat das Rad vorne, wie schwer ist das Teil, und welche Rahmenbeschichtung hast du genommen?“ Der Gefragte – die Nummer 224 – entpuppt sich als holländischer Radmechaniker und schert plötzlich aus der streng technischen Frageordnung aus. Nicht ohne Eitelkeit erzählt er, daß er in Holland der erste Liegeradler mit einem Sponsor sei. Doch das ist die absolute Ausnahme.

Ein buntes Sammelsurium von Radkonstruktionen ist am Start: Tieflieger und Mitteltieflieger mit Hock-, mal mit Frontverkleidung. Der Liegerad-Experte weiß: Beim Feststart sind Räder ohne Verkleidung deutlich im Vorteil, auf 50 Metern kommen die vollverkleideten überhaupt nicht auf Touren. Die Liegeradler stört das wenig. Wer sich – wie Nummer 217 – einen Radlerhelm in der Form einer sperrigen Haifischflosse aufsetzt, pfeift auf Tempoambitionen und optimierte Windschlüpfrigkeit.

So bunt wie Kleidung und Radzubehör ist auch das Programm: Bahnrennen über 1.000 und 4.000 Meter, Stundenrennen durch die Innenstadt. Und am Wochenende kommen auf dem Fühlinger See die pedalbetriebenen Wasserfahrzeuge zum Einsatz – mit Wasserfackelfahrt und Wasserslalom. Nicht alles dreht sich um Geschwindigkeit, die Liegerad- Avantgarde will auch breitenwirksam sein. Für die Alltagstauglichkeit gibt es Geschicklichkeitswettbewerbe. Außerdem lockt ein Liegerad-Probierstand den Otto Normalradler an.

Organisator Ludger Bütfering hätte gerne mehr Disziplinen angeboten. „Geplant waren noch die APV-Wettbewerbe [APV = Arm Power Vehicles; d. Red] mit Rollstuhlrennen, aber wir hatten im Vorfeld zu wenig Meldungen.“ Mit rund 150 Meldungen für die übrigen Wettbewerbe ist Bütfering dennoch zufrieden.

Als Königsdisziplin gelten die 200 Meter mit fliegendem Start. Amtierender deutscher Meister über diese Strecke ist der Münchner Bauingenieur-Student Dirk Hentschel (28), ein Tempoliebhaber. „Bis zu 80 km/h kann ich fahren, so schnell ist kein herkömmliches Rad.“ Der 28jährige Technikfreak, der sein Rad selbst gebaut hat, hätte sicherlich bei den Bergetappen der Tour de France abgeschnallt. „Aber in der Ebene hätte Jan Ullrich keine Chance gehabt.“

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