Das äußerst gelungene Ufo

■ taz Architektur Sommer: HamburgerInnen beschreiben ihr meistgeliebtes oder meistgehaßtes Gebäude der Stadt.  Teil III: Iha von der Schulenburg über Heinrich Stöters steingewordenen Enthusiasmus an der Elbchaussee 96

Altona, Elbchaussee. Vornehme Villen, noble Restaurants, braver Backstein. Und dann das: Wild gezackte Granitblöcke ragen aus dem Boden – buntes Mosaik unterbricht das Pflaster – ein Wassergraben fließt durch den Bordstein. Und mittendrin – ein UFO. Vornedran tanzen seine Antennen, rechts sehen einen Bullaugen an, oben, gegenüber der goldenen Wand, gibt es einen transparenten Aussichtsturm, und obendrauf thront die Empfangsschüssel für außerterrestrische Signale.

Seine Existenz verdankt es der Phantasie des Architekten Heinrich Stöter. Und dessen dickem Fell. Die Oberbaudirektion wehrte fünf Entwürfe ab, bis sie der Überzeugungskraft und dem Enthusiasmus des Künstlers erlag. (In Hamburg kann es schon schwer sein, eine Genehmigung für den Ausbau einer vorhandenen Dachgaube zu bekommen.) Was ist das für einer, der fünf endgültige Absagen an sich abtropfen läßt, nur um mit einem noch gewagteren Entwurf wieder in der Tür zu stehen? Einer, der an die Utopie des Sieges der Phantasie über die Bürokratie glaubt.

Wohl kein Gebäude Hamburgs – und sei es noch so groß – vereint so viele originelle und bizarre Ideen in sich wie dieses. Damit müssen die Nachbarn erstmal klarkommen: „Was? Da soll man drin wohnen?“oder vornehm hanseatisch: „Das ist Geschmackssache“, heißt es . Aber es gibt auch viele Bewunderer, die zu schätzen wissen, was ihnen hier geboten wird: ungebremste Kreativität, Irritation, Chaos. Das findet selbst bei den Sprayern Anerkennung: E 96 ist das einzige Haus in der Fischers Allee, das von den zischenden Dosen verschont wird. „Ist schon in Ordnung so!“sagen sie

Das ist es übrigens auch von innen. Die ersten Schritte in das Haus hüpft man in den Himmel, die Hölle bleibt vor der Tür. Ein befreundeter Maler hat das alte Kinderspiel auf dem gläsernernen Fußboden der Eingangshalle verewigt. In den Ausstellungs- und Wohnräumen schlängelt sich buntes Steinmosaik durch das Parkett, an den geschwungenen Wänden wechseln sich strahlendes Gold, samtenes Rot und fröhliches Gelb ab. Licht durchflutet die Räume. Man kann gar nicht anders, als sich darin wohlzufühlen.

Und das mit gutem Gewissen: Heinrich Stöter hat – soweit möglich – ökologisch gebaut. Bis es mehr solcher gelungener Synthesen aus Umweltbewußtsein, Verspieltheit und Avantgarde in Hamburg zu sehen gibt, kann man erst mal dieses Kunstwerk besichtigen.

Sollte man auch tun. Ein UFO sieht man schließlich selten.

Iha von der Schulenburg ist Moderatorin und Drehbuchautorin