Kommentar: Teilen und schweigen
■ Selten war die Kulturszene politisch so passiv wie jetzt
Die Bremer Kulturförderung steht vor einer der größten Veränderungen der letzten Jahrzehnte, und doch ist es in der Szene verdächtig still. Was keiner sozialdemokratischen Alleinregierung und nicht mal der Ampel gelungen ist, hat die Große Koalition geschafft: Die Bremer Kulturschaffenden, die – befragt nach einem Slogan für die mögliche Eigenwerbung – gern von der kulturellen Vielfalt Bremens sprechen, schweigen einmütig.
Doch dabei besteht Grund genug zu anderen Reaktionen. Wie berichtet, soll der konsumtive Kulturetat im nächsten Jahr um rund elf und 1999 um rund 13 Millionen Mark gekürzt werden. Zugleich haben Kulturbehörde und -deputation zahlreiche Institutionen neu in den Haushalt aufgenommen und die Förderung der Kunsthalle, des Neuen Museums Weserburg und anderer Einrichtungen erhöht. Die klaffende Lücke zwischen Bedarf und Etat will der Senat durch Verkäufe städtischen Vermögens schließen. Bis September hat Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) Zeit zu klären, woher das Geld genau kommen soll. Die Einrichtungen indes haben nicht so viel Zeit und planen längst ihr Programm fürs nächste und teils auch schon fürs Folgejahr. Nur auf den ersten Blick ist das nichts Neues.
Denn Kulturpolitik funktioniert zur Zeit nach dem klassischen Lateinermotto vom Teilen und Herrschen. „Plant mal“, wird einigen Kulturleuten von den Referenten der Behörde zugesteckt. Und so machen sie sich an ihre Ausstellungs- und Spielpläne – wie immer „am Rand der Legalität“, wie sich die Szene schon seit Jahren beklagt. Andere, die solche Aufforderungen nicht erhalten und „Bringfriede Kahrs sowieso kein Wort mehr glauben“, rechnen unverhohlen mit neuen Sparrunden und pflegen ihre Resignation. So verschieden diese Reaktionen sind, so ähnlich ist das nach außen „kommunizierte“Verhalten: Selten ist Bremens Kulturszene in der politischen Debatte so passiv aufgetreten wie jetzt.
Christoph Köster
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