Weiße Hosen aus Athen (4)
: „Einfach Spaß gehabt“

■ Wie Busemann senior sich um eine Medaille für den Junior bemühte

Er kritzelte noch schnell ein paar Zahlen, dann blickte Franz Josef Busemann von seinen Notizen hoch. „Stefan, du Kampfziege“, rief er dann durch die Mixed Zone, an deren anderem Ende die deutsche Zehnkampfziege Schmid keuchte, aber erfreut nickte. Idiom, laut, aber freundlich. Ja, dieses „German Zehnkampfteam“, sagt Konkurrent Michael Smith (29), sei schon „großartig“. Toller Teamspirit. Das zahlt sich aus. Der Kanadier muß es wissen, er ist seit einem Jahrzehnt im Geschäft. Die deutschen Leistungen, sagt er, beruhten auf einem „guten Teamkonzept“. Das Teamkonzept besteht darin, daß der Bundestrainer Klaus Marek akzeptiert, daß der jeweilige Heimtrainer auch vor Ort das Sagen hat, man aber dennoch gut, zusammen und auf Tuchfühlung arbeitet.

Frank Busemanns Heimtrainer heißt Franz Josef (“Vatter“) Busemann und ist selbst ehemaliger Zehnkämpfer. Er hat den Athleten nicht bloß gezeugt, auch gemacht und an die Spitze geführt. Wie er aber so in der Mixed Zone steht, mit kurzen Hosen und gerötetem Kopf, sieht er eher aus wie ein Hauptschullehrer aus Recklinghausen. Er ist aber keiner. Er ist ein Halbtags-Hauptschullehrer aus Recklinghausen. Seit einer Woche offiziell beim Sohn angestellt. Auch halbtags. Der Job ist hart. „Komm' nicht ran“, sagte er nach einen gescheiterten Versuch in der Mixed Zone, „die Presse steht da um ihn rum.“ Egal, ein kurzer Blickkontakt genügte eh, um dem Sohn zu bedeuten, was zu bedeuten war.

„Licht und Schatten“ hat er nach dem ersten Tag beim Chef gesehen. Den Hochsprung (2,09 m) fand auch der Sohn „schon toll“, dafür waren 13,53 m im Kugelstoßen für den Vater ein „ziemlicher Rückschlag“. Über 400m kamen 48,32 Sekunden heraus, aber die letzten Meter müssen die Hölle gewesen sein. Die letzten? „Die ganzen 400“, sagte der Vater. „Dabei“, brummte er kopfschüttelnd, aber zufrieden, „hat der nur 49,5 drauf. Höchstens.“

Gestern machte Busemann einen guten Stabhochsprung (5.00m), blieb aber nach 100m, Weitsprung und Kugel auch über die Hürden (13,55 Sekunden) und mit einem mäßigen Diskuswurf (42,56 m) etwas hinter Olympia zurück. Aber Atlanta ist ja Geschichte. Da hatte er seinen fünften Zehnkampf bestritten und „einfach Spaß gehabt“ (Franz Josef Busemann). Am Ende standen erstaunliche 8.706 Punkte, Silber und allgemeine Busemann-Hysterie. Nach der Bestätigung von Ratingen Anfang Juni (8.556) hatte er in Athen seit Tagen Auskunft geben müssen über die Farbe der Medaille. Das, sagte der Vater, „war eine ganz andere Situation“. Dennoch blieb der Sohn unaufgeregt und freundlich. Busemann, obwohl eben erst 22 geworden, habe die „Reife eines erfahrenen Athleten“ an den Tag gelegt, lobte Konkurrent Smith. Er sei „eigentlich schon ein Veteran“.

Als Trainer Busemann in seinen peniblen Aufzeichnungen den Amerikaner Fritz (“der ist weg“) gestrichen hatte, blieben ganz oben auf der Liste Götzis- Sieger Hämäläinen (“Granate“) und der Olympia-3. Dvorak (“ganz stark“). Dahinter der Junior sowie Chris Huffins aus Brooklyn. Und Busemann senior übte sich in Zweckpessimismus. „Ich glaube nicht, daß er's umsetzen wird“, sagte er einmal. Ein anderes Mal: „Es wird sehr schwer für ihn.“ Doch bevor am Abend die Frage nach einer Medaille geklärt war, gab der Vater bereits höchste Absolution: „Das war diesmal wirklich ein Zehnkampf“, sagte Franz Josef Busemann und betonte die Silbe „-kampf“: „Atlanta war dagegen ein Lustspiel.“ pu