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Kirchliches, allzu Kirchliches

■ betr.: „Justizminister verwarnt Kirchen wegen Asylrecht“, taz vom 1. 8. 97

Das Grundgesetz gilt bekanntlich für alle Bürger des Staates! Warum meint die „Kirche“, eine Ausnahme zu bilden? Sollte nicht gerade sie die Aussage Christi beherzigen: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist?“ Geht es hier um wahre Nächstenliebe (aus eigenen Mitteln Sachwerte und geistige Hilfe geben), oder geht es wieder einmal (wie seit Jahrtausenden schon) um Machtbeanspruchung und Einflußnahme im Staate? Maria Pecherstorfer, Hettstadt

Hier irrt Jan Feddersen, und zwar gleich dreimal: 1. fordert unser Grundgesetz zwar Glaubens- und Gewissensfreiheit, nicht aber eine „Trennung von Staat und Religion“. Wieso könnte es sonst einen staatlichen Kirchen„steuer“einzug geben?

2. Die Schulen haben keinen „strikt weltlichen Lehrauftrag“. Ich zitiere aus dem Schulgesetz von Baden-Württemberg, Paragraph 1, Abs. 2: „... ist die Schule insbesondere gehalten, die Schüler in Verantwortung vor Gott, im Geiste christlicher Nächstenliebe ... zu erziehen“.

3. In Großbritannien sind Kirche und Staat noch viel enger verflochten als bei uns: Es gibt eine Staatskirche, die Bischöfe sitzen im Oberhaus, das Oberhaupt dieser Kirche ist identisch mit dem Staatsoberhaupt, das ist nämlich die Queen. Chr. Rattinger, Offenburg

Meine Vermieterin unterhielt sich mit einer Nachbarin – beide Nordlichter in Bayern – über Schulprobleme ihrer Kinder. Ich (Hesse) kam gerade dazu, als die Nachbarin erzählte, ihr Siebenjähriger habe einen Fünfer bekommen, „weil er sich weigert, das Kreuz zu schlagen“. Ich konnte meinen Mund nicht halten: „Wieso einen Fünfer?“ fragte ich ernsthaft, „Ihr Sohn sieht doch unheimlich sportlich aus.“ Darauf guckten die Damen recht verdutzt – und danach guckte ich verdutzt, weil es sie einige Minuten kostete, sich wieder zu beruhigen. Nach dem Lachanfall erklärten sie mir jedoch ernsthaft, daß es sich hier nicht um Sportunterricht gehandelt habe.

Als exprotestantischer Hesse, dem 1978 noch „FD“ für Freidenker beim Kirchenaustritt in die Lohnsteuerkarte gestempelt wurde, dachte ich eben nicht an das in Bayern Naheliegendste. Damals (1984) war ich eben noch neu hier. Aber heute freue ich mich über das Kruzifix-Urteil. Ich kenne hier sogar Zeitgenossen, deren Umgang zum Beispiel mit Asylanten, aber auch mit bestechlicheren Menschen eigentlich nahelegt, daß man ihnen ein Kreuz auch auf den Täterschreibtisch stellen sollte. Das ist aber nichts typisch Bayerisches. Auch gibt es hier revolutionärere Gemüter, für die – Kruzifix – die bayerische Regierung nicht die höchste aller Mächte ist. [...] Götz Kluge, München

Der parlamentarische Vorstoß einiger CSU-Bundestagsabgeordneter, in Zukunft das Delikt der Gotteslästerung härter zu bestrafen, dürfte nicht nur bei der Deutschen Bischofskonferenz auf Zustimmung stoßen. Alle liberalen, aufgeklärten und human denkenden Geister sollten die mutige Initiative der wackeren CSU-Mannen Geis, Zierer und Singhammer uneingeschränkt unterstützen. Wären ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt, würden vielleicht endlich einmal all jene Unionschristen strafrechtlich belangt, die mit schlimmer Regelmäßigkeit die Lehre des Jesus von Nazareth verhohnepipeln, indem sie asylsuchende Menschen diffamieren und ihnen keinen Schutz gewähren. Denn kann es eine größere Gotteslästerung geben, als die Schwachen und Hilfesuchenden abzuweisen? Uwe Tünnermann, Lemgo

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