: Was Fröhliches eben
■ Gegen Prominente und brennende Sonstwasse: Entertainer Götz Alsmann findet, daß es in der TV-Unterhaltung "nichts neues Gutes mehr geben kann". Und daher auch gar nicht muß. Ein Porträt
Natürlich wohnt Götz Alsmann nicht in Hamburg oder Berlin. Seine kokett inszenierte Schrulligkeit und Seltsamkeit wird komplettiert durch seinen Wohnort, der – selbstredend! – identisch ist mit seinem Geburtsort Münster. Eine Stadt wie Göttingen oder Freiburg und all die anderen; hier versucht man es im Hauptbahnhof noch mit moderner Kunst, und die „berühmten Söhne der Stadt“ sind mit einer Hand verlesen und Gemeingut. In Münster sind das Götz Alsmann und der Fallschirmspringer Jürgen Wurst Möllemann. Alle beide. Beide etwas abseitig im Genre plaziert und mit Volkes Vokabular betraut, für den ganz großen Wurf aber nicht eben geeignet – zu gut vielleicht der Alsmann, zu zweifelhaft gewiß die Wurst.
In Städten wie Münster ist auch immer Stadtfest. Bei einem Stadtfest ist die Fußgängerzone für Autofahrer gesperrt. Dazu gibt es Zerstreuung, Kleinkunst und Musik vom Band und von Bands. Götz Alsmann wird am Abend auch spielen vor einer Kirche, mitten in Münster. Und er wird Münster- Witze machen, woraufhin alle lachen, weil sie diese Witze schon kennen. Mithin ein guter Grund zu lachen.
Aus Wumsmusik, Pfannengezisch und Gebrabbel heraus schwingt eine sonore Stimme eine Eloge auf irgend etwas, Menschen lachen, und die Stimme surrt immerfort, die Sätze fließen ineinander. Es ist aber nicht Götz Alsmann und auch nicht Möllemann, obwohl beide so klingen, von weitem. Von nahem ist es aber nur eine Art Wolfgang Petry, der hinter einer unseriösen Tapeziertischanordnung Rostentferner feilbietet. Dann fängt es an zu regnen, weil es ja ein Stadtfest ist.
Als der Regen fort ist, beginnt „die wunderbare Götz-Alsmann- Band, meine Damen und Herren“. So freundlich und schelmisch ist immer nur Götz Alsmann, so oft sagt kein anderer Schaumeister in Deutschland „meine Damen und Herren“. Und er und seine Band tragen extra unmoderne karierte Sakkos, die vor einigen Jahren eigens für einen unterhaltsamen, öffentlich-rechtlichen Musikfilm geschneidert wurden. Vielleicht wurde aber auch das Drehbuch eigens wegen der Sakkos geschrieben, das läßt sich nicht mehr ermitteln. Jedenfalls lachen nun alle Zuschauer dauernd, und da kommen die Sakkos gerade recht.
Die Musik von Götz Alsmann ist so epigonal wie erfreulich. Das swingt, das groovt, und dazu singt er ein wenig affektiert, doch stets vergnügt, und das ist ja auch das Wichtigste, bei solcher Musik, solcher Unterhaltung. Götz Alsmann macht Fernsehen wie andere Leute Reispfannen auf Stadtfesten – zack, die nächste, alle lecker, mal brennt was an. Es zählt die Masse allein, die große Samstagabendpfanne können andere. „Es wird immer eine Form der Nische bleiben“, mutmaßt Alsmann. Zwar spricht einiges für seine Unterhaltungstheorie (Rückbesinnung auf wenige bewährte Entertainmentelemente, klassisch, billig, versendbar), doch wollen die Konzeptmenschen ja immer soviel Unsinn und Prominente und brennende Sonstwasse. Götz Alsmann will nur „unbekannte, aber skurrile“ Gäste, am besten aus Winsen an der Luhe und „Weltmeister im Rückwärtssingen, großartig“. Meine Damen und Herren.
Clowns sind auch toll, aber nicht „die Hermann-van-Veen-Clowns, die traurig Luftballons balancieren, sondern die lustigen mit kaputter Trompete und zu großen Schuhen“. Die findet sogar der Sohn von Alsmann lustig. Und dann findet Götz Alsmann auch, es könne in der TV-Unterhaltung „gar nichts neues Gutes mehr geben“. Und daher auch nicht muß.
Mit offensichtlicher Lust am Produzieren versteigt sich Götz Alsmann drum in allerlei Projekte und Tätigkeiten: Studium der Musikwissenschaft, diverse Radioshows, allerlei Schallplatten, fortwährendes Geturne über Kleinkunstbühnen – Alsmann moderiert hier und auch da und erzählt auch immer einen Witz. Mit Gästen, ohne Gäste, mit Publikum oder auch ohne, allein oder zu zweit, mit Erfolg (oder auch ohne), im Dritten, im Ersten. Selbstverständlich auch auf Vox. Und immer wieder Stadtfeste. Die zwei Leitmotive dieser Biographie sind die Unterhaltung (nicht immer der anderen) und die Musik. Die durfte nie fehlen.
Als 1985 der WDR-Hörfunk auf regionales Vollprogramm umstellte, bewarb sich der 28jährige Alsmann um eine Jazzsendung. Aber „eine ohne Kleistsche Schachtelsätze, was Fröhliches eben“. Die bekam er gleich „am nächsten Tag, ja, so war das damals“. Das klingt nach Nachkriegsfirmengründung, als es für Schokolade einen Berechtigungsschein und für Ziegelsteine alles sonst gab. Für Alsmann gab es die Jazzsendung, und er erzählte locker dahin. „Ich habe in der Mensa immer gesagt, oh, es sieht nach Regen aus – ist aber Kaffee.“ Solche Witze erzählt Götz Alsmann auf und auch ganz ohne Knopfdruck, all die Kalauer, die jedermann bekannt, aber niemandem präsent sind. Alsmann aber schon – was Fröhliches eben.
Götz Alsmann ist das, wofür Harald Juhnke in Deutschland fälschlicherweise gehalten wird – der große Entertainer, der swingt und lacht und Bierzelte wie Festsäle unterhalten kann, der selbst die Show ist. Die Trinkepisoden haben Juhnke zum zwar unantastbaren, aber eben auch unnützen Schlachtschiff werden lassen. Fortlaufend unterhalten aber muß uns Götz Alsmann, und ihm ist es ein Vergnügen. In „Zimmer frei“ beim WDR und der „Götz Alsmann Show“ vom NDR, im Radio, auf dem hüftlahmen Musiksender VH-1, wo im „musikalischen Quintett“ Alsmann der einzig Erträgliche ist. Alsmanns Witze sind besser und wollen doch nur Witze sein. Eine anspruchslose Übersollerfüllung, die sonst wohl nur noch Harald Schmidt hinkriegt.
Ein Vorbild? „Nein, kann er ja gar nicht sein. Der ist ja gleich alt und ungefähr gleich lang dabei.“ Die Logik eines Nostalgikers. Alsmann ist jetzt 40. 14 war er, als er als „Banjospieler in einer Dixielandband“ begann. Alt oder besser noch tot müssen seine Vorbilder schon sein, Kuhn, Kuhlenkampf und all die Amerikaner. Und erst recht die Horde von Jazzmusikern, die keine Sau kennt, nur der Götz.
Und dazu das Outfit, die Tolle, die Anzüge, der Stiernacken, die Fünfziger. Ja, sagt Alsmann, „danach fragen immer alle zuerst“.
Natürlich geißelt auch Alsmann „die Überflutung, den täglichen Dreck“, das Fehlen „wirklich großer Shows“. Er kann nicht mal sein Videogerät programmieren, seine Show nehmen ihm andere auf. Und den Rest sieht man oder nicht. Meist aber doch. Alsmann guckt gerne Fernsehen, trotzdem.
Alsmanns letzter Scherz ist verklungen, das Stadtfest löst sich auf. Jetzt geht Münster schlafen, morgen ist Montag. Das war nicht der große Samstagabend, sondern der kleine Sonntagspätnachmittag. Mehr wäre zuviel. Für alle. Benjamin v. Stuckrad-Barre
Derzeit unterhält Alsmann im „Casino Royal“ (WDR, 22 Uhr)
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