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Santa Fu mit Karussell

■ Sommerfest im Männerknast: Ein Hofgang mit Freundin, Ehefrau und Kind

„Du hast viele Zähne verloren“, stellt der kräftige Mann schüchtern fest und streicht dem Mädchen unsicher über den Kopf. Sie zeigt stolz ihre Zahnlücken. Wie lange haben sich die beiden nicht gesehen? Zwei ganze Tage haben sie diesmal Zeit. Runde um Runde drehen sie gemeinsam auf dem staubigen Hof. Es ist Sommerfest im Männergefängnis Santa Fu.

Der Hof ist ein riesiges Schotterfeld. Wo sich sonst nur die 520 inhaftierten Männer aufhalten, Fußball spielen oder spazierengehen, schlendern heute auch Frauen, Kinder und ganze Familien umher. Knutschende Pärchen überall. Langsam dreht sich ein Kinderkarussell im Kreis. In der Mitte thront ein Boxring. Leer. Am Rand, dort wo ansatzweise Rasen vorhanden ist, reihen sich Würstchenbuden, Büchertische und Zelte zum Sitzen aneinander. Die Sonne sticht, die Schattenplätze an der Mauer sind belegt. Eine friedliche Trägheit liegt in der heißen Luft.

Außer Angehörigen und FreundInnen läßt sich niemand hinter den Knastmauern blicken. Ein Justizsenator, Wolfgang Hoffmann-Riem etwa, mischt sich nicht unter die BesucherInnen. Nur der Leiter des Strafvollzugsamtes, Rolf Gestefeld, durchschreitet am Sonntag die zahlreichen Knast-Pforten.

Nicht alle Gefangenen dürfen am Sommerfest teilnehmen. Rund 35 bis 40 Insassen sind auf den sogenannten Sicherungsstationen eingeschlossen. „Entweder haben sie selbst was ausgefressen, oder es kann passieren, daß die anderen Gefangenen auf sie losgehen, wenn sie rauskommen“, erklärt einer der Strafvollzugsbeamten.

„Früher“, erzählt er dann und meint damit die 70er Jahre, in denen das Fest erstmals gefeiert wurde, „früher war das hier ein Sportfest: Handball, Fußball, Boxen. Heute ist ja nichts mehr los“. Doch nicht für die Bediensteten, sondern für die Gefangenen haben diese selbst das Sommerfest organisiert. Und die sind zufrieden. „Das Fest ist ein Erfolg“, meint etwa Kurt, seit rund einem Jahr Insasse von Santa Fu. Auf einer Bank sitzt er am Rande, blickt gemächlich in die Runde, schlürft seine Cola und fragt: „Schon ein Los bei der Tombola gezogen?“. Elke Spanner

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