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„Miserable Umwelt“, sagte der Computer Von Ralf Sotscheck

Daß die taz-Internetseite während des Sommerlochs nur jede zweite Woche erscheint, stört mich nicht im geringsten. Ich habe die Rubrik ohnehin stets als Provokation empfunden.

Es fing damit an, daß ich mir einen neuen Computer zulegte. Damals waren die 486er mit CD- ROM-Laufwerk der letzte Schrei, und zum Glück war Bernd P., Auslandsredakteur der taz, gerade in Dublin, um mir die Programme zur Textübermittlung an die taz von einem veralteten Toshiba-Laptop- Computer auf das nagelneue Gerät zu überspielen. „Wild Copy“, sinnierte P. Für eine Sekunde, „was mag das sein?“ Unglücklicherweise beschloß er, es empirisch herauszufinden, und im Nu schüttete der olle Toshiba sein gesamtes Herz an meinen neuen Computer aus – und das Hirn dazu. Binnen Sekunden war mein schöner 486er mit einem halben Gigabyte Speicherkapazität felsenfest davon überzeugt, er sei ein läppischer Laptop-Computer.

Ein Experte behob die Identitätskrise nach mehreren therapeutischen Sitzungen, doch die Welt des Internet blieb mir nach wie vor verschlossen. „Du hast kein Modem“, log das Gerät, und selbst als ich ihm das rote Kästchen vor den Bildschirm hielt, beharrte er auf seiner Behauptung. Der Mann von „Ireland Online“, dem irischen Netzwerk, hielt mich ganz offensichtlich für einen Neandertaler, als ich ihm mein Modem beschrieb, diktierte mir aber dann doch eine Kombination, die mehr als hundert Zahlen und Buchstaben umfaßte und meinen Computer mit dem angeblich vorsintflutlichen Kästchen vertraut machen sollte. Der elektronische Fiesling weigerte sich.

Ich kaufte ihm ein neues Modem, und siehe da: Er nahm es als Partner an. Ich rief wieder meinen Experten, und mit seinem Password surften wir durchs Internet. Alles paletti also. Am nächsten Tag meldete ich mich bei „Ireland Online“ an. Am übernächsten Tag kam der Rückruf: „Der Name, den sie gewählt haben, ist unzulässig.“ Sotscheck ist um einen Buchstaben zu lang. „Dublin“ gab es bereits, „Ralf“ ebenso. „Ralf S.“ war noch zu haben.

24 Stunden später hatte ich die idiotensichere Gebrauchsanweisung. Gespannt ging ich genau danach vor. Aber jedesmal, wenn es laut Beschreibung die Internet- Nummer wählen sollte, sagte das gehässige Gerät: „No environment“. Schlechte Umweltbedingungen? Meinte der elektronische Misthaufen etwa mein Arbeitszimmer? Andererseits: Im vorigen Sommer, als ich im Urlaub war und Nachbarn wegen eines vermeintlichen Einbruchs bei uns die Polizei gerufen hatten, war der herbeigeeilte Beamte der gleichen Ansicht wie der Computer. Er war auf einer Leiter in den ersten Stock geklettert, spähte durch mein Fenster und gab pausenlos Schreckenslaute von sich. „Oh mein Gott“, soll er gerufen haben, „hier haben die Diebe gehaust wie Vandalen. Alles verstreut, der ganze Fußboden ist mit Papier bedeckt.“ Die Nachbarin überzeugte ihn schließlich davon, daß ich gerade eine neue Archivierungsmethode ausprobierte.

Mein Computer ließ sich nicht so leicht in die Irre führen. Zur Strafe sperrte er mir auch das CD- ROM-Laufwerk mit derselben Begründung: „No environment.“ Wenigstens legt der Elektropedant noch Patiencen, sonst hätte ich ihn längst verschrottet.

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