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Kleine Warenkönige

■ Read.Me: Warum hat Werbung bei Kindern oft so leichtes Spiel? Ein weiteres Buch zum Thema versucht eine Antwort

„Skippies“ sind die derzeit heißeste Zielgruppe der Werbung. Skippies sind „Schoolkids with Income and Purchasing Power“, Schulkinder mit eigenem Einkommen und Einkaufsmacht. Seit Pädagogen nach der TV-Gewalt die Werbespots aufs Korn genommen haben, mehren sich die Untersuchungen und Veröffentlichungen zum Thema Kinder und Werbung.

Die Journalistin Melissa Müller versucht in ihrem Buch „Die kleinen Könige der Warenwelt“ das ganze Spektrum abzudecken. Sie will klären, warum Werbung so oft so leichtes Spiel hat. Anstatt die Werbung zum Sündenbock zu machen, möchte sie „Überlebensstrategien“ entwickeln. Dafür aber muß man natürlich wissen, wie die „geheimen Verführer“ arbeiten, muß sie entmystifizieren.

Nach der Lektüre stellt man allerdings fest, daß diese Ziele vielleicht etwas hochgesteckt waren. Zwar schreibt Müller in einem sehr flüssigen, lesefreundlichen Stil, und ein großzügiger Druck mit vielen Zwischenüberschriften verhindert, daß man in einer Bleiwüste strandet. Da es sich um ein Sach-, nicht aber um ein Fachbuch handelt, arbeitet Müller jedoch immer wieder mit zuweilen groben Vereinfachungen komplexer Zusammenhänge und pflegt einen ermüdenden Hang zur Plakativität („viele Kinder leiden unter chronischem Phantasiemangel“, eine Hirnhälfte „kümmert vor sich hin“, Kinder geraten durch die Serie „Power Rangers“ in „rauschähnliche Zustände“) sowie die pure Behauptung von Fakten, deren Quellen die Autorin schuldig bleibt.

Auch der Aufbau des Buches leidet an einer gewissen Beliebigkeit, ein konsequent durchgeführtes Konzept ist nicht erkennbar. Immer wieder weicht die Autorin unvermittelt vom Kurs ab und verzettelt sich in Seitensträngen. So ist jedes Kapitel mit zwar interessanten, aber oft irreführenden Zusatzinformationen angereichert; und wirklich Neues erfährt nur, wem das Thema tatsächlich neu ist.

Außerdem finden sich diverse Widersprüche und offensichtliche Fehlinformationen (die Disney- Comics erscheinen nicht im Carlsen-, sondern im Ehapa-Verlag). Und mitunter leider auch grober Unfug: Welcher Vater, fragt Müller ernsthaft, „wagt es heute noch, ein Auto (...) zu kaufen, das nicht die Zustimmung seiner Kinder findet“? Tilmann P. Gangloff

Melissa Müller: „Die kleinen Könige der Warenwelt. Kinder im Visier der Werbung“. Campus Verlag 1997, 240 Seiten, 39,80 DM

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