: Fluch der Vormacht
■ Die USA als Schlichter internationaler Konflikte
Welcher Teufel reitet Clinton und Albright, sich die Konflikte von Bosnien und Israel/Palästina vorzunehmen und an deren Lösung Glaubwürdigkeit und die außenpolitische Handlungsfähigkeit der USA zu knüpfen? Sie haben keine andere Wahl. Amerika betreibt auf dem Balkan und im Nahen Osten keine Sozialpolitik, sondern verfolgt nationale Interessen. Frieden im Nahen Osten ist für Amerikas Energieversorgung und die Sicherheit des mit Amerika verbündeten Israel so notwendig wie Ruhe auf dem Balkan für die Stabilität im ehemaligen Sowjetreich. Ein Neuausbruch des Krieges in Südosteuropa würde die Einflußlosigkeit der Nato zeigen und zum Verlust eines Instruments US-amerikanischer Ordnungspolitik führen. Amerikas Politik ist aber über die nationalen Interessen hinaus an eine internationale Friedensordnung gebunden, deren Aufrechterhaltung nur noch sie garantieren kann. Das ist ein Fluch, den die Unipolarität der heutigen Welt mit sich bringt.
Der Apologet des untergegangenen Britischen Empire Rudyard Kipling prägte die Formel von der Bürde des weißen Mannes. Dem Britischen Empire oblag es, der Welt Kultur und Zivilisation zu bringen — eine abgefeimte Bemäntelung kolonialer Ausbeutung. Heute sind es die USA, die allein jenen Weltfrieden garantieren können, für den bis 1989 immerhin zwei Supermächte gemeinsam die Verantwortung trugen. Die Welt vor dem Absturz in nationalistische Kriege zu bewahren, ist heute Amerikas außenpolitisches Ziel und seine zivilisatorische Mission.
Als konkurrenzlose Supermacht treten die USA das Erbe nicht nur des britischen Imperiums an. Die Region heutigen amerikanischen Engagements gleicht einem Halbmond, der sich von Nordafrika über die Levante bis in den Balkan zieht, ein Gebiet, das sich mit dem des ehemaligen Osmanischen Reichs deckt. In ihm lebten die Völker immerhin so relativ friedlich zusammen wie die Völker der Donaumonarchie. Die Nationalstaaten, die an die Stelle der alten Imperien getreten sind, haben die Hoffnungen der Völker nicht erfüllt. Die Herstellung moderner, übernationaler und völkerübergreifender Ordnungen wie die des Osmanischen Reichs und der Donaumonarchie, die allerdings bestenfalls das territoriale Muster abgeben können, ist heute Aufgabe amerikanischer Außenpolitik. Peter Tautfest
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