: Bin so froh wie dumm
■ Ab fünf Uhr werden High-School-Traumata zurückgezahlt: "Romy und Michele" rüsten zum Dirty Dancing - und enden auf einem biederen Klassentreffen
Diese beiden Blondinen haben es nicht „geschafft“, wie man so sagt, definitiv nicht. Arbeitslos die eine, Rezeptionsfräulein bei einer Jaguar-Vertretung die andere, sitzen sie in einer gemeinsamen Wohnung in Venice Beach, immerhin, stopfen sich mit Junk food voll, träumen sich zum soundsovielten Mal in die Welt von „Pretty Woman“ und versuchen in der Nacht zusammen mit den Bee Gees am Leben zu bleiben. Doch Grund zu Besorgnis und Zukunftsängsten gibt Romy (Mira Sorvino) und Michele (Lisa Kudrow) dieser Zustand nicht, Karriere-Girls zu werden scheint nie auf ihrem Masterplan gestanden zu haben, und überhaupt: I'm so happy cuz I'm so stupid, I'm just a girl.
Erst als eine ehemalige Mitschülerin ihnen von einem Zehnjahrestreffen ihrer High-School erzählt, auf das man Romy und Michele vorsorglich nicht eingeladen hat, nimmt das Unglück seinen Lauf, geht es den beiden wie den meisten von uns vor solch unsäglichen Jubiläumstreffen: Plötzlich haben die beiden eine Geschichte, insbesondere eine unselige und schwere High-School-Zeit, die in Rückblenden erzählt wird. Pummelige Eckensteherinnen mit Pickelgesicht und Halskorsett waren sie, erste Adresse für Hohn, Spott und Hänseleien seitens ihrer MitschülerInnen.
Musik von der Abfallhalde
Und plötzlich reflektieren Romy und Michele ihr bisheriges Dasein, verlieren ihre glamouröse Unschuld, missen auf einmal die fehlenden Boyfriends und haben nur ein Ziel vor Augen: die in der Schulzeit erlittenen Traumata mit doppelter Münze zurückzuzahlen, hauptsächlich in Form einer veritablen Karriere.
Smells like achtziger Jahre, dieser erste Film des Regisseurs David Mirkin, und als ob beruflicher Erfolg, schwerer Schlitten und schwarze Businesskleider, mit denen Romy und Michele auf der Feier versuchen zu beeindrucken und zu blenden, nicht genug wären, wird der Film über die gesamte Länge von Songs begleitet, die man schon lange auf dem Abfallhaufen der Popgeschichte und schon gar nicht in einem Film der späten Neunziger wähnte: „Time After Time“ von Cyndi Lauper, „Footloose“ (!) von Kenny Loggins, „Dance Hall Days“ (!) von Wang Chung usw. Versagt hat man sich bloß Cyndi Laupers „Girls Just Wanna Have Fun“ – aus gutem Grund, denn die Moral dieser unpeinlich lustigen und smartiesbunten Geschichte ist, daß man mit Fun immer den größten und hier auch zählbaren Erfolg hat. Natürlich gehen alle Tricks von Romy und Michele fürchterlich in die Hose, natürlich entlarven ihre holzschnittartig gezeigten Gegenspielerinnen (spießig und schwanger) den großen Schwindel. Und natürlich – schließlich sind wir hier in Hollywood und nicht in Mike Leighs düsterem London – besinnen sie sich daraufhin endlich wieder auf den totalen Spaß, den sie gemeinsam immer hatten: auf ihre Freundschaft, auf ihre selbstgeschneiderten Glitterfummel, auf ihr Dirty Dancing, und alles wird gut. Gerrit Bartels
„Romy und Michele“. Regie: David Mirkin, Buch: Robin Schiff. Mit Mira Sorvino, Lisa Kudrow, Janeane Garofalo, Alan Cumming. USA 1997, 103 Min.
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