Bei Nacht und Nebel den Sündern auf der Spur

■ Umweltpolizisten hantieren mit ätzenden Säuren und giftigen Chemikalien und sind von Kopf bis Fuß in Plastikfolie eingehüllt Von Heike Haarhoff

Am Telefon meldet er sich nur mit „PD 455.“ Das ist die Kennummer der Polizeidienststelle. Manchmal fügt er noch knapp „Spöntjes“ hinzu. Das ist sein Name. Die meisten AnruferInnen wissen erst nicht, mit welcher Polizei-Einheit sie es zu tun haben. Das stört ihn nicht: Bernd Spöntjes, Leiter der Fachdienststelle Umweltdelikte, hält sich sowieso lieber im Hintergrund. Hanseatisches Understatement. „Ich bin austauschbar. Was wichtig ist, ist unsere Arbeit.“

Und die findet oft bei Nacht und Nebel statt, zu Zeiten und in Gegenden, wo nur wenige Menschen zuschauen: Wenn ein Laster heimlich in einem einsamen Waldstück hochgiftige Chemikalien ablädt, eine Firma unbefugt ätzende Säuren in Gewässer einleitet oder sonstige illegale Abfalltransporte bekannt werden, rücken die „Umwelt-Kommissare“ aus. Wenn's sein muß, rund um die Uhr. „Oft kommen die Tips aus der Bevölkerung. Wenn für uns dann klar ist, daß es sich um eine Straftat handelt, fahren wir los“, erzählt Spöntjes.

Umweltdelikte, Gefahrgut-Überwachung und technische Ermittlungen gehören zu den Aufgaben der Umweltpolizisten. Wiederzuerkennen sind die Beamten bei ihrem Einsatz allerdings nicht: In Windeseile schlüpfen sie in ihre orangefarbenen Schutzanzüge aus Plastik, schnallen sich die Sauerstoff-Flasche auf den Rücken und ziehen Gummistiefel an. Und verwandeln sich so in unförmige, raumfahrer- oder taucherähnliche Gestalten. Jeder Griff muß sitzen, denn die Stoffe sind meistens gefährlich und bei Hautkontakt äußerst gesundheitsschädlich.

Das wissen die Männer von PD 455; entsprechend stressig ist die Arbeit vor Ort: „Die Anzüge sind sehr unbequem. Man schwitzt darunter unheimlich, weil man von Kopf bis Fuß durch die Plastikfolie von der Umwelt abgeschnitten ist. Länger als 20 Minuten hält das niemand aus“, erinnert sich Bernd Spöntjes an eigene Einsätze. Das Sehfeld ist durch die Gesichtsmaske eingeschränkt, Verständigung mit den Kollegen nur über Funk möglich. Deshalb sind die Polizisten auch nie allein unterwegs.

80 Prozent der Delikte werden aufgeklärt. Das ist verlockend.

Eigentlich recht abschreckend. Wer macht so etwas freiwillig? „Die Nachfrage innerhalb der Polizei ist sehr groß“, versucht der Dienststellen-Leiter die Skepsis aus dem Weg zu räumen. Denn die Erfolgsquote ist hoch: 60 bis 80 Prozent der Delikte werden aufgeklärt. Das ist verlockend. „Und außerdem ist das Arbeitsklima unter den Männern gut.“ Männer, denn Frauen gibt es unter den 40 Ermittlern nicht. Doch, eine hat es geschafft, zu den Umweltpolizisten vorzudringen: als Schreibkraft. Dabei wünscht sich der Leiter durchaus Frauen im Team: „Die müßten dann aber sehr fit sein. Der Job ist körperlich anstrengend.“ Und erfordert außerdem eine „nautische oder technische Ausbildung.“

Auch Bernd Spöntjes ist sieben Jahre zur See gefahren, bevor er 1972 in Hamburg bei der Polizei anfing. Das Meer fehlt dem gebürtigen Cuxhavener heute schon manchmal, wenn er aus seinem Büro am Klingberg auf die Speicherstadt blickt. „Aber ich konnte eben nicht ewig Matrose bleiben. Mit Familie geht das nicht so gut.“ Und weil es „für Nautiker nicht so viele Möglichkeiten gibt an Land“, entschied sich Bernd Spöntjes für eine Ausbildung bei der Wasserschutzpolizei. Daß er in der Abteilung Umweltdelikte landete, war eher ein Zufall: Die Dienststelle wurde ursprünglich 1974 mit vier Polizisten gegründet. Als 1980 dann Umweltdelikte zeitgleich mit dem zunehmenden Umweltbewußtsein in der Bevölkerung als eigene Form des Strafrechts behandelt wurden, wuchs das Aufgabenfeld der Umweltpolizisten. 1984 kam Bernd Spöntjes dazu und leistete Pionierarbeit bei der Bekämpfung der illegalen Abfallbeseitigung, bevor er zum Dienststellenleiter avancierte.

Wegen der ständigen Neuerungen im Umweltrecht – demnächst sollen auch Verstöße gegen den Artenschutz von den Umweltpolizisten geahndet werden – nehmen die Mitarbeiter häufig an Fortbildungen teil. Auch der Umgang mit Geigerzählern, Gasspürgeräten und Explosimetern muß geübt werden. Bei Unklarheiten werden Experten zu Rate gezogen. Denn: „Wir sind keine Wissenschaftler und wollen's auch nicht sein“, betont Spöntjes.

Organisatorisch sind die Umweltermittler der Hamburger Wasserschutzpolizei angegliedert, in ihrer Arbeit aber weitgehend autonom. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern: Dort werden Umweltdelikte nicht zentral, sondern teils von der Kripo, teils von der Schupo verfolgt. „Das führt zu Mißverständnissen, weil oft die interne Kommunikation nicht klappt.“

Übung im Umgang mit Geigerzählern und Gasspürgeräten

Deswegen wollen die Hamburger ihr Modell demnächst bundesweit vorstellen. Und bestimmt wird Bernd Spöntjes seine Kollegen dann auch mit den Hamburger Erfahrungen zum Schmunzeln bringen. Wenn er von seinem Kollegen erzählt, der einen Täter beim illegalen Entsorgen von Fäkalien ertappte und eine Probe der stinkenden Brühe nahm. Woraufhin der Umweltsünder ihm das Glas entriß und mit den Worten „Das ist überhaupt nicht schädlich“ austrank – auf Ex.