: Mit dem Fliewatüüt zu den Marsmäusen
■ Zwei Graphiker auf der Walz: Das rollende „Nomad Office“am Hafenklang
Daß Goethes Bildungsreisen oder Zimmermänner auf der Walz einmal als Vorbild für Graphik-Designer herhalten würden, scheint zunächst nicht sehr naheliegend. Doch die beiden Würzburger Graphik-Design-Studenten Lars Maulick und Bernd Balling haben sich für ihre Diplomarbeit genau dieses Vorbild genommen.
Auf der Suche nach einem passenden Thema wollten sie sich von gängigen Arbeitsweisen lösen und entwickelten so die Idee für eine „Gestaltungsreise“durch Deutschland. Mit ihrem sogenannten „Nomad Office“, einem Wohnmobil, daß speziell zu diesem Anlaß umgebaut wurde, touren sie insgesamt sechs Monate durch Deutschland, um ihr „experimentelles Arbeiten mit Fundstücken“zu dokumentieren.
Ihre Route führte sie bisher von Würzburg über Erlangen, München, Frankfurt, Stuttgart und Köln, wo sie bei der Band Mouse On Mars unterkamen. Die rheinischen Koryphäen der modernen elektronischen Musik waren gerade im Begriff, ihre CD „Autoditacker“zu veröffentlichen. Als die Band Arbeiten von den beiden Studenten sah, beauftragten die Musiker die Graphiker kurzerhand mit der Gestaltung des neuen CD-Covers. „Das war sehr gut für uns, weil wir fast alle Experimente, die wir bisher unterwegs gemacht haben, einbringen und umsetzen konnten“, so Bernd Balling.
So gestalteten sie das Cover mit graphischen Anleihen beim Kassenbon vom Supermarkt, erfanden eine neue Schrift, nämlich „Bon“, kopierten Buchstaben aus dem indischen Alphabet oder pixelten sich Ausrisse aus Werbeplakaten zurecht.
Maulick und Balling sind nun auf der achten Etappe ihrer Graphik-Tour in Hamburg angelangt. Ihr Standort ist das Hafenklang-Studio, eines der traditionsreichsten Hamburger Musikstudios, das sich mittlerweile auch als Konzertraum wieder etabliert hat. Auch hier finden Maulick und Balling neue Inspiration und vor allem weitere Fundstücke für ihre Arbeit.
Und ganz nebenbei leisten sie noch erste Design-Hilfe: So gestalteten sie z.B. eine dringend benötigte Informationsbroschüre über das vom Abriß bedrohte Haus und machten Flyer für diverse Veranstaltungen, die im Hafenklang stattfinden. Musiker, wie die Hamburger Band Monochrom beeindruckt von den Arbeiten, so daß weitere Aufträge für Plattencover anstehen.
Doch gelegentliche Auftragsarbeiten, die das Konzept des experimentellen Arbeitens mit Fundstücken ergänzen, reichen den beiden nicht aus. So suchen sie ferner verschiedene Werbe- und Design-Agenturen auf, die zu dem Thema „zwei“eine Polaroid-Arbeit anfertigen sollen. So entsteht ein Polaroid-Katalog, der nicht nur in ihrer Diplomarbeit Platz finden wird, sondern auch Auskunft über Arbeitsweisen und Herangehensweisen von verschiedenen Agenturen gibt.
Die aktuellsten Bilder stammen von den Hamburger Agenturen Scholz & Friends und Springer & Jakobi. Maulick: „Das läuft hier in Hamburg alles sehr viel konzernmäßiger ab. Da kommt man nicht so einfach zum Art Director durch. Aber letztlich freuen wir uns über jeden Beitrag, auch wenn sie von einem Praktikanten gemacht wird.“
In der nächsten Woche wird das „Nomad Office“Richtung Berlin und Dresden weiterziehen. Na denn, weiterhin gute Reise.
Dominic Egizzi
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