piwik no script img

Kein reines Badevergnügen

Forschungsinstitut warnt vor Chloroform-Gefahr in Hamburgs Bädern. Wasserwerke sehen keine Gesundheitsbelastung  ■ Von Marco Carini

Nichts ist mit Badespaß. In Hamburgs Freibädern wird mehr Chlor eingesetzt als irgendwo sonst in der Republik. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Ahrensburger Instituts für Lebensmittel- und Umweltforschung (Lefo-Institut), das bundesweit 20 Schwimmbäder testete. In allen Hamburger-Wasserproben fanden sich Konzentrationen der gefährlichen Chlorverbindung „Chloroform“(CHCl3), die weit über den bundesweit gültigen Richtwert hinausgeht. „Chloroform gilt als krebserregend“, sagt der Biochemiker und Lefo-Mitar-beiter Gerhard Wichmann.

Drei der vier Proben, die bundesweit die höchsten Chloroform-Konzentrationen aufwiesen, stammen aus Hamburg. Als bundesweiter Spitzenreiter fungiert das Niendorfer Freizeitbad in der Friedrich-Ebert-Straße mit 78 Mikrogramm CHCl3 pro Liter Wasser knapp vor dem Rissener Sommerbad Marienhöhe (75 Mikrogramm). An vierter Stelle der bundesweiten Chloroformhitliste findet sich mit 58 Mikrogramm das Eimsbüttler Kaifu am Kaiser-Friedrich-Ufer.

Der bundesweite Richtwert, der aber nur als unverbindliche Empfehlung dient, liegt bei lediglich 20 Mikrogramm pro Liter. Daß dieser Wert eingehalten werden kann, zeigen die Testergebnisse aus Stuttgart, Köln und München. Hier zogen die Analytiker Proben, die um 10 Mikrogramm CHCl3 pro Liter Badewasser liegen.

Während Chlor vor allem Augen und Schleimhäute reizt, gehört das durch Chemie-Reaktionen im Wasser entstehende Chloroform laut Deutscher Forschungsgemeinschaft zu den Stoffen, bei denen ein „begründeter Verdacht auf krebserregendes Potential“besteht. „Mir sind 20 an Krebs erkrankte Schwimmeister bekannt, bei denen vermutet wird, daß Chlorverbindungen die Ursache sind“, berichtet der Bundesgeschäftsführer des „Fachverbandes für Meister im Schwimmbad“, Karl-Gustav Gies. Er fordert „Alternativen zur Chlorierung“, wie etwa den Einbau von Aktivkohlefiltern. Doch die sind teuer.

„Chloroform kann vor allem das Gewebe von Leber, Lunge und Nieren aber auch das zentrale Nervensystem schwer schädigen“, ergänzt Lefo-Mitarbeiter Wichmann. Eine Studie belege zudem, „daß der Genuß von Grundwasser mit erhöhten CHCl3-Werten zu Leukämie führen kann“. Chloroform wird in erster Linie durch die Haut aufgenommen und gelangt so in die Blutbahn. Da Chloroform nicht wasserlöslich ist, „dampft es im Wasser leicht aus“, erklärt Wichmann. Im Klartext: Direkt über der Wasseroberfläche sammeln sich die Gase in Nasenhöhe und werden so bei jedem Atemzug in hoher Konzentration inhaliert.

Wichmann geht zudem davon aus, daß die Chloroform-Konzentrationen zur Zeit „erheblich höher“sein dürften, als vor drei Wochen, als die Proben gezogen wurden. Denn je besser das Wetter und je mehr BesucherInnen im Bad, umso mehr werden die Bäder in der Regel gechlort. Höhere Wassertemperaturen führen zudem dazu, daß Chloroform verstärkt ausdampft und sich über der Wasseroberfläche sammelt.

Für die Hamburger Wasserwerke sind die rekordverdächtigen CHCl3-Konzentrationen kein Grund zur Besorgnis. „Was die Fachdiskussion hergibt, sind diese Werte nicht gesundheitsschädlich“, wortkargt Wasserwerks-Sprecher Hans-Werner Krüger.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen