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„Daumen ins Auge“

■ Gerhard Flomm, die Graue Eminenz beim HSV, gibt „sprachlos“ ein beredtes Interview

taz: Herr Flomm, haben Sie ihre Sprache nach dem 0:4 gegen Köln inzwischen wiedergefunden?

Gerhard Flomm: Ich war ziemlich sprachlos, das muß ich ehrlich sagen. Es ist zwingend erforderlich, daß sich Präsidium und Trainer an einen Tisch setzen und analysieren, was hier vorgefallen ist, um dann entsprechende Entscheidungen zu treffen.

Trainer Benno Möhlmann schien mit Anzeichen der Resignation direkt nach dem Spiel einer Entscheidung schon nahe.

Das Gefühl hatte ich auch. Aber nach einem Gespräch nicht mehr. Er hat das, was in der ersten Halbzeit passiert ist, ja auch schonungslos angesprochen und erstmals nicht schöngeredet. Es hat einfach das Aufbäumen in der Mannschaft gefehlt.

Wird Benno Möhlmann Trainer bleiben?

Nach wie vor, solange das Präsidium nicht etwas anderes entscheidet, stehe ich zum Trainer. Es ist nicht das Patentrezept, den Trainer rauszuschmeißen. Es ist sicherlich so, daß sich vieles ändern muß.

Der Führungsstil des Trainers oder die Berufsauffassung der Spieler zum Beispiel?

Leider sind erwachsene Leute heute immer noch nur zu führen, wenn man ihnen die Daumen ins Auge setzt. Das ist ein bißchen deprimierend für mich, daß die, die als erwachsene Leute ernstgenommen werden wollen, die alles diskutiert haben wollen, die bei Vertragsgesprächen mit Beratern erscheinen und anfangen zu feilschen, daß solche Leute im Endeffekt, wenn's um die Leistung geht, nur reagieren können, wenn man mit dem Knüppel dazwischen haut.

Das Hauptproblem sind also die Spieler?

Das sehe ich so. Selbst wenn wir jetzt sagen würden, wir setzen als Trainer da einen Motivationsweltmeister hin, ändert sich daran nichts.

Das Volk fordert Opfer.

Das ist nichts anderes als im Zirkus im Mittelalter, das hat sich nicht geändert seit damals. Damit muß man leben. Wenn das Volk erst einmal in Zorn gerät, ist es nicht gerade sachlich. So etwas aber habe ich noch nicht erlebt.

Das mindeste wäre ein Signal, eine Perspektive aufzeigen. Uwe Seeler fordert eine Schlüsselfigur, Benno Möhlmann jetzt sogar zwei bis drei neue Eckpfeiler.

Wir haben finanziell keine Möglichkeit. Wir haben nur die Möglichkeit, etwas auszugeben, wenn wir das aus Transfers refinanzieren. Ich bin entschlossen, auf junge Leute zu setzen. Es bleibt uns nicht erspart: Es muß ein Neuaufbau statt-finden. Fragen: Bernd Müller

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