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Pranger

Sagt gestern Jungunternehmer Aschler zu mir: „Schwarzarbeit soll in Deutschland nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat verfolgt werden. Illegal agierende Arbeitnehmer und Nachfrager müssen also künftig mit Geld- und Freiheitsstrafen rechnen.“Herr Studienrat Arnold mit seine viele schwarze Nachhilfestunden und Revierförster Noske, der neuerdings auf private Basis Geschäftsleute in Fragen von Einbruchsicherung berät, sind da richtig blaß geworden. „Was aber viel schlimmer ist“, bemerk ich nu, „und viele Bürger dazu gebracht hat, auf den Weg vonne Tugend und offizielle hohe Handwerkerrechnung' zurückzukehrn, sind ja de NEUEN STRAFEN! Und bau'n se auch vonne Stadt aus überall diese moderne Strafvollzugsgeräte auf. An jeden öffentlichen Platz steht schon so'n Dings! Neenee, liebe Leute, das sind keine awangardistischen Kunstwerke, das sind ganz normale PRANGER!“Studienrat Arnold ist nu noch blässer geworden. „Das ist doch ein Rückfall in mittelalterliche Barbarei“, ruft er, „außerdem haben wir solche plumpen Mittel gar nicht nötig. Unsere Medien, vornehmlich die Presse, ersetzen solche Apparate doch vollkommen!“„Stimmt“, muß ich zugeben, „und besonders inne TAZ geht das rund! Wie die mit unse Politiker umspringt! Was sie zun Beispiel Herr Möllemann angetan hat, das geht auf keine Eselshaut! Oder Herbert Wehner! Gut, laß ihn damals paar Hundert von seine Genossen ans Messer geliefert oder verraten haben, vonne Zusammenarbeit mitte Stasi wolln wir gar nicht erst anfang', aber bei Herr Karl Diehl, der da mit KZ-Häftlinge seine Geschäfte abgezogen hat, da hat man doch auch gesagt: ,Mal muß Schluß sein, Schwamm drüber.' Naja, Herr Diehl hat als Rüstungsfabrikant was für de deutsche Wirtschaft getan, und seine Beschäftigungspoletik könnte wieder modern werden ... Und Wehner hat sich bloß mit seine haraldschmidtmäßigen Zwischenrufe profeliert. Na gut, wo uns Harald 20 Gäglieferanten beschäftigt, hatte Herbert de ganze SPD als Zulieferer. Aber immerhin war er der einzige, der bischen Farbe inne Polletik gebracht hat. Und zun Dank hacken se ihn noch nach seinen Tode den Kopp ab!“„Ich weiß nicht“, sagt nu Sonnenbank-Heinzi und haut mitten zusamm'gerollten FOCUS nach ne Fliege, „Presse ist ja gut und schön, Fernsehen ist auch nicht schlecht, aber es fehlt doch das ECHTE! Ich war neulich dabei, als der Pranger in Norderstedt eingeweiht wurde. Die Eröffnungsrede hat ein Herr Uhrlau gehalten. Das Gerät war eine Neuentwicklung: ein Doppelpranger, womit zwei Personen zur gleichen Zeit einer kritischen Bevölkerung vorgestellt wurden: ein Kindes- und ein Sozialhilfemißbraucher. Man konnte die Verbrecher beschimpfen und richtig anspucken. Außerdem gab es fliegende Händler, die überreife Tomaten und faule Eier anboten. Herr Uhrlau hat feierlich das erste Ei geworfen. Steinewerfen war allerdings noch nicht gestattet, aber eine entsprechende Gesetzesvorlage wird schon vorbereitet.“„Das ist doch grausam und weckt die niedrigsten Instinkte!“ruft Studienrat Arnold. Und Heinzi: „Aber es bringt auch Vorteile mit sich und nicht nur für Eier- und Tomatenproduzenten, auch für die Verbrecher!“„Welche denn?“fragt Herr Arnold. „Na“, sagt Heinzi, „17 Talkshow-Angebote für jeden, ist das nichts?“

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