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Rotgrün in Altona geplatzt

Fünf Wochen vor der Wahl kündigt die GAL die Bezirks-Koalition mit der SPD. Die ist sprachlos, Hamburgs Spitzengrüne sind's auch  ■ Von Heike Haarhoff

Er verabschiede sich jetzt ins Wochenende, wolle aber „für eventuelle Rückfragen“seine Telefonnummer im Ferienhäuschen hinterlassen, flötete Olaf Wuttke gestern mittag ins Telefon. Dann nannte der Fraktionschef der GAL-Altona noch den Grund, weshalb er Anrufe außerhalb der Dienstzeit erwarte: „Die Koalition mit der SPD ist für mich beendet.“

Zwei Wochen vor der letzten Altonaer Bezirksversammlung dieser Legislaturperiode und fünf Wochen vor der Hamburger Bürgerschaftswahl ist damit nach vier Jahren gemeinsamen Regierens die rot-grüne Koalition in Altona geplatzt. Die SPD bestreitet das noch: „Ich bin völlig überrascht. Das glaube ich nicht“, waren die ersten Worte des Altonaer SPD-Kreisvorsitzenden Olaf Scholz, als er von der taz über Wuttkes Kündigung informiert wurde. Scholz: „Wir gehen weiter davon aus, daß die Koalition besteht.“Altona ist – pardon, war – der einzige Hamburger Bezirk mit rot-grüner Regierung.

Grund für den Bruch mit den Sozis ist für Wuttke ein Streit um einen Gewerbemieter im geplanten Wohn- und Gewerbegebiet „Othmarschen-Park“an der Behringstraße, der am Donnerstag abend im Hauptausschuß eskalierte. In dem Einkaufszentrum, über dessen Größe sich Rotgrün-Altona übrigens einig ist, möchte der Elektrogerätemarkt Brinkmann eine 2.000 Quadratmeter große Filiale eröffnen. Die SPD findet das gut. „Eine verkehrspolitische Katastrophe“, warnte dagegen Wuttke, der Kunden-Pkw-Lawinen schon die Straßen verstopfen sah. Zudem gefährde der Elektromarkt die Händler am nahen Altonaer Bahnhof. Die GAL wollte die Entscheidung bis nach der Wahl vertagen und einen Kompromiß mit der SPD aushandeln. „Viel zu spät“, konterte die und genehmigte den Markt mit den oppositionellen Stimmen von CDU und Statt Partei.

„Ein klarer Bruch des Koalitionsvertrags“, schnaubt Wuttke nun. Er sei „nicht länger bereit, so zu tun, als gäbe es keine Alternative zu Grünrot“. Das teilte er „z.K.“auch den Grünen aus Landes- und Kreisvorstand mit. Sollte letzterer eine Mitgliederversammlung (MV) einberufen und diese für das Fortsetzen der Koalition plädieren, „trete ich zurück“.

Der Chef der GAL-Bürgerschaftsfraktion, Willfried Maier, zeigte sich gestern „überrascht“. Er hält Wuttkes Vorgehen „für etwas unüberlegt“. GAL-Spitzenkandidatin Krista Sager wollte lieber keine Einschätzung wagen, welche Konsequenzen die geplatzte Koalition für das grüne Bürgerschaftswahlergebnis haben könnte.

Deutliche Worte fand dagegen die Altonaer GAL-Kreisvorständlerin Christine Müller: „Es ist absurd, die Koalition auf der Höhe des Wahlkampfes aufzukündigen.“Die GAL müsse vielmehr „Vertragstreue demonstrieren“. Wuttke jedoch habe „schon lange einen Vorwand gesucht, die Koalition zu beenden“. Anlaß hätten „eventuell“der Streit um die Bebauung des Holzhafens oder die Wahl des Bezirksamtsleiters sein können, nicht aber ein Elektromarkt: „Aus jeder Rechtsabbiegerspur macht Wuttke einen spektakulären Fall.“Von einer Mitgliederversammlung „so kurz vor der Wahl“gehe sie nicht aus. Schließlich sei „die Seriosität der GAL nicht belastet“.

Altonas Politik schon: Wuttke, Platz zwei auf der Bezirksliste, wird auch in das nächste Parlament einziehen.

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