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Du winkst mir zu, huhu

■ „Der Soundtrack zum Viertel“: ein wunderbarer collagierter Mitschnitt eines Poetry Slams im Akas

Im Viertel schiebt jeder seinen eigenen Film. Und auch die Filmrisse vollziehen sich mal liegend, mal stehend, leise, euphorisch, höchst unterschiedlich eben. Den fiktiven, verborgenen Soundtrack zum gesammelten Kopfkino des Stadtteils versuchte Günter Kahrs hörbar zu machen. Er ließ den Mitschnitt eines zwei-stündigen Poetry slams im Akas, dem Veranstaltungskeller und lets come together-Ort in der Weberstraße, von „Rolf Kirschbaum Alien records“in Walle verhackstücken und neu zusammenpuzzeln. Das Ergebnis ist technisch nicht gerade ausgereift, mies beschriftet und außerdem absolut großartig.

Irgendwann, sagen wir mal im 14. Jahrhundert, setzte sich die Zentralperspektive durch. Wahrnehmen und Erkennen ist seitdem gebunden an den festen Blickwinkel. Hier stehe ich und kann nicht anders. Auf breiter Front, von Kubismus über Kuddelmuddel-Zeitschriften-Layout bis zur stets sprungbereiten MTV-Ästhetik, wird Sturm gelaufen gegen diese konzentrierte, gebündelte Wahrnehmung. Die Tonkassette „Soundtrack des Viertels“stürmt besonders schön und flippig.

Text- und Musikschnipsel wirbeln um- und ineinander; und der Hörer dreht sich mit, steckt mittendrin, segelt vorbei an Banalem und Grundsätzlichem. „Hast du keinen Hocker. Aber das geht doch nicht.“„Unsere Freiheit ist die, zwischen Twix und Sniggers zu entscheiden.“Sitzfragen neben Hinterfragen unserer Demokratie. Beim Vorbeigleiten unterschiedlicher Tonspuren trifft sich ein wütendes Gebrüll an die Sorge mit sorgloser Musik, eine zartfühlende Metapher mit einem beherzten, doch unsensiblen Rülpser, Stühlerücken und Rauschen. Nichts bleibt unerwidert, Musik und Text kommentieren sich gegenseitig.

Die Viertel-Rapper machen Lyrik für Leute, die Lyrik hassen. Alle poetischen Peinlichkeiten sind da, – und werden gebrochen. Hemingwayscher Machismus breitet sich aus, „dort, wo das Meer an die von Kormoranen vollgeschissenen Felsen gischt“, aber nicht ohne Ironie. Feinsinnige Sprachbilder sehen sich konfrontiert mit Gossengezeter. Die exquisitesten lyrischen Stilmitteln, etwa die Alliteration, werden mißbraucht für Witze: „Du winkst mir zu, huhu, das gehört dazu.“Roter Faden ist Günter Kahrs Jahrmarktbuden-Conférence, die im Ulk nach höheren Weisheiten fahndet.

Eine neue Sprachmelodie heizt an. Ohne Schlußpunkte, unterbrochen durch japsenden Schnappatem, jagt die Stimme über den surrealistischen „Frontalzusammenstoß mit einem Hirschkäferweibchen“, das alltägliche „Wedeln des Hundeschwanzes“und neuste Nachrichten aus dem Unterbewußten in Reimform hinweg. Jede Menge heftige Daseinsfreude schimmert noch aus den desaströsesten Zustandsbeschreibungen: Das Gesamtkunstwerk der Zukunft auf antiquierten Magnetstreifen gebannt. Ganz herrlich zum Aufwachen am Morgen geeignet. bk

Zu erwerben im Akas, auszuleihen im Steintor- CD-Verleih

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