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Amüsement nur hinter dem geistigen Horizont

■ Das 4:0 beim Regionalligisten Eisenhüttenstädter FC Stahl gerät Bundesligist Hertha BSC zu perfektem Pokalfußball – womit das Spiel tröge war und der Festtag leicht vermasselt

Eisenhüttenstadt (taz) – Als der Hertha-Bus vom Trainingslager Bad Saarow aus Kurs auf Eisenhüttenstadt nahm, wurde er unversehens gestoppt von einem Schild. „Durchfahrt gesperrt“ stand da drauf. Man konnte dann doch weiterfahren. Aber wenn das Wasser auch gegangen sein mag, ahnen konnte man noch, was da los gewesen sein muß, sagte Dieter Hoeneß. Und überhaupt: „Die Bilder im Fernsehn war'n erschütternd.“ Darum hat der Manager von Hertha BSC Herthas Anteil an den Pokalspieleinnahmen für die Katastrophenopfer an der Oder zur Verfügung gestellt.

Anhänger des Unternehmens waren indes weniger betroffen. „Ihr könnt nach Hause schwimm'n“, teilten die Hertha- Freunde aus Block H im Stadion der Hüttenwerker den auch stimmlich unterlegenen Eisenhüttenstädter Amateuren mit Begeisterung mit. Harry Rath mochte darüber nur den Kopf schütteln. „Wie man darüber Witze machen kann“, sagte der Trainer des FC Stahl müde, „das zeigt deutlich deren geistigen Horizont.“

Rath wirkte überhaupt etwas melancholisch. Sein Team, Regionalligasechster, hatte es nicht geschafft, die Erstrundenpartie im DFB-Pokal zu dem zu machen, was man sich von solcher Konstellation erhofft. Ein Zuordnungsfehler nach fünf Minuten: Preetz konnte köpfen, Sverrisson abstauben, damit, sagte Rath, „war das Spiel erledigt“. Leider wahr. Es geriet tröge und war also aus Sicht von Jürgen Röber eine ziemlich perfekte Vorstellung des Bundesliga-17. Kühl gespielt, Fehler vermieden, den Schwächeren nicht aufgebaut, sondern früh desillusioniert – „unsere Aufgabe war es“, bilanzierte der Hertha-Trainer zufrieden, „dafür zu sorgen, daß Stimmung gar nicht aufkommt“.

Wie man nicht nur in Cottbus weiß, kann man besseren Fußballern zwar beikommen, doch nur mit einer Umdeutung des Spiels zu einer Art laufintensiven Überlebenskampfs. Damit war nichts. „Insgeheim“, sagte Rath vornehm, habe er sich „etwas mehr Aggressivität gewünscht. So gab es für den nicht ergebnisorientierten Besucher nur einen kleinen, aber feinen Moment, der die Mühe wert war: Als Michel Dinzey beim 0:3 (81.) von der Mittellinie durch die unsortierten Stahl-Reihen eilte – links, rechts, links – und dann mit links ins rechte Eck schob.

Eigentlich aber war es kein richtiger Festtag. Freude dürfte nicht einmal der Kassierer gehabt haben: Das Stadion war längst nicht voll. Der Stahl-Manager und Sportfreund Anton Siems auch nicht – der wurde unter Platitüden öffentlich entsorgt. Und über die Hertha-Anhänger mochte auch Jürgen Röber nicht lachen („die soll'n die Klappe halten“).

Ein Gutes hat der Tag dann aber doch gebracht. Trainer Rath verlor eine Wette gegen Sohn Marcel. Der gehört zum Profikader von Hertha, hatte den Sieg prognostiziert und hat dafür etwas Schönes gewonnen: eine Dauerkarte für die Regionalligaheimspiele des Eisenhüttenstädter FC Stahl. Ob der sich nun freut wie verrückt? Na ja, sagte Rath senior achselzuckend, „letzlich profitiert der Verein davon. Wir freuen uns über jeden Zuschauer.“ Peter Unfried

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