: Westen stützt Plavsic nach Urteil
■ Die Präsidentin der bosnischen Serben gründet eine eigene Partei, nachdem das Verfassungsgericht ihre Parlamentsauflösung für ungültig erklärt hat. Der Druck auf Karadzic wird weiter verstärkt
Sarajevo/Berlin (AFP/taz) – Im Machtkampf der bosnischen Serben hat deren Präsidentin Biljana Plavšić am Wochenende klare Unterstützung aus dem Westen erhalten. Der Beschluß des Verfassungsgerichts der Serbenrepublik, die Parlamentsauflösung durch Plavšić sei ungültig, wurde von Nato und EU sowie von den USA und Deutschland als politisch motiviert verworfen. Bundesaußenminister Klaus Kinkel betonte, Bonn betrachte Plavšić weiter als wichtigste Repräsentantin der bosnischen Serben. Das Gerichtsurteil sei auf Einwirkung von Karadžić zurückzuführen. Auch Nato-Generalsekretär Javier Solana sowie der Bosnien-Beauftragte Carlos Westendorp und das US-Außenministerium sprachen von einer politischen Entscheidung, die auf Druck der Hardliner um Karadžić zustande gekommen sei.
Nach Angaben bosnisch-serbischer Oppositionspolitiker wurde einer der Verfassungsrichter, der die Position Plavšić' unterstützt habe, kurz vor dem Gerichtsbeschluß von Unbekannten zusammengeschlagen und schwer verletzt. Die Tat wurde Anhängern von Karadžić angelastet, der das Präsidentenamt unter dem Druck des Westens voriges Jahr an Plavšić abgegeben hatte, aber weiter im Hintergrund die Fäden zieht.
Plavšić erhielt auch Rückendeckung in der Serbenrepublik selbst: Zwei stellvertretende Ministerpräsidenten sowie fünf weitere Mitglieder der regierenden Serbisch- Demokratischen Partei (SDS) legten aus Protest gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts ihre Ämter nieder. Auch mehrere Oppositionsparteien stellten sich auf die Seite der Präsidentin.
Zuvor hatte Plavšić die Gründung einer eigenen Partei angekündigt, der Serbischen Volksallianz. Die Gründungsversammlung werde am 28. August in Banja Luka stattfinden. Plavšić ließ keinen Zweifel daran, daß sie selbst die Vorsitzende der neuen Partei werden wird. Sie sagte, ihre Volksallianz wolle alle ehemaligen Karadžić-Gefolgsleute aufnehmen.
Die Präsidentin der bosnischen Serben war am 20. Juli aus der SDS Karadžić' ausgeschlossen worden, zu deren Gründungsmitgliedern sie gehörte. Plavšić, selbst eine militante serbische Nationalistin, will ihre Partei offenbar auch auf einer rein ethnischen Grundlage aufbauen, wie der Name nahelegt. In ihrem Machtkampf mit Karadžić wird sie international unterstützt, weil sie eher zur Zusammenarbeit bei der Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton bereit ist. Und wie Plavšić dringen auch die westlichen Staaten auf frühe Neuwahlen in der bosnischen Serbenpolitik, um den Einfluß von Karadžić zurückzudrängen.
Unterdessen verstärkte sich am Wochenende der psychologische Druck auf Karadžić weiter. Die britische Zeitung Sunday Times meldete unter Berufung auf Militärkreise in Sarajevo, Nato-Truppen hätten am Mittwoch bei einem nächtlichen „luftgestützten Einsatz“ in den Bergen nördlich von Karadžić' Hochburg Pale dessen Ergreifung geprobt. Kürzlich hatte der US-Fernsehsender ABC berichtet, Soldaten der USA, Großbritanniens und Frankreichs trainierten für einen Einsatz zur Festnahme mutmaßlicher Kriegsverbrecher. Das hatte Washington zwar dementiert, dann jedoch die Verstärkung der US-Militärpräsenz in Bosnien angekündigt.
Am Freitag hatten die USA zudem Karadžić mit nicht näher bezeichneten „neuen Maßnahmen“ gedroht. US-Vermittler Holbrooke sagte dem Nachrichtenmagazin Focus, ohne die Festnahme Karadžić' sei Frieden in Bosnien nicht möglich. Die SFOR werde künftig energisch auf die Durchsetzung des Friedensabkommens von Dayton achten.
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