: Slammen ohne tote Dinosaurier
■ In Hamburgs Literaturszene zündelt und schwelt es beispielhaft – ein kleiner Überblick
Die Poesie steht gerade am Ende der Kreidezeit. Die Dinosaurier sterben aus. Erst zwei Wochen ist es her, daß der letzte große Beatnik, William Burroughs, gestorben ist. Im ausgehenden 20. Jahrhundert sind die Poeten ausgezogen, das Slammen zu lernen. Nicht mehr in den Buchhandlungen oder Literaturhäusern, sondern in den Clubs finden die jungen Schreiber sich am besten aufgehoben. Die Hamburger Literatur-Szene spielt bei dieser Entwicklung eine Vorreiterrolle gegenüber anderen deutschen Städten.
Pioniere sind die beiden Literaten und Veranstalter Michael Weins und Alexander Posch. Vor eineinhalb Jahren haben sie die Schriftstellergruppe LAOLA und den gleichnamigen Club gegründet und ein neues Konzept der Literaturaufführung eingeführt. Es treten hauptsächlich jüngere Autoren auf. Außerdem spielen Bands, und es darf geraucht werden. Bevor der Künstler loslegen darf, erzählen Weins und Posch erst noch ein paar Anekdoten und lieben es, entspannt ein paar Witze zu erzählen.
Wer im Foolsgarden bei „Hamburg ist Slamburg“lesen möchte, muß keinen Bestseller vorweisen. Dort sind alle „Verseklopfer, Poetessen und Sprücheklopfer“eingeladen, drei Minuten auf die Bühne zu gehen. Boris Preckwitz und Tina Uebel haben diese Form der Literaturveranstaltung aus den USA nach Deutschland geholt. Ein Poetry-Slam ist auf jeden Fall ein Erlebnis: viel Schrott und Tagebuchliteratur, aber auch Eindrucksvolleres. Das Publikum kann seinem Unmut oder seiner Begeisterung lautstark freien Lauf lassen.
Wer das etwas Solidere oder Niveauvollere, aber auch weniger Turbulente sucht, der ist im Mojo-Club in die „Poets Lounge“richtig. Dana Bryand, Bob Holman und morgen Hal Sirowitz - die Stars der „American New Poetry“geben sich die Klinke in die Hand. Doch Veranstalter Michael Prahm holt nicht nur die großen Namen zu seinen Veranstaltungen. Unbekanntere Künstler, Musiker und Lokalmatadore müssen nicht an der Tür kratzen.
Ab Herbst wird es auch im Grünspan Literaturveranstaltungen geben. Der Schriftsteller Lou A. Probsthayn und andere Autoren aus dem Laola-Umfeld wollen hier die verschiedenen Literaturszenen verbinden. Es gibt viele Ideen, aber noch kein festes Konzept. Geplant sind beispielsweise die Erstellung von „Lit-Clips“– die filmische Aufnahme von Gedichten in MTV-Ästhetik.
Alles in allem – keine Revolution, aber eine Literatur-Szene, die sich immerhin vor brechend vollen Sälen abspielt. Verändert hat sich dabei vor allem die Darbeitungsweise, ob Rap oder pathetisches Schauspiel – weniger die Texte. Dennoch, in Hamburgs Literaturszene liegt kreative Nervosität und eine eine spannende Unruhe in der Luft. Oder wie Michael Prahm es nennt:„Hier wird gerade Feuer gelegt“
Oliver Nachtwey
heute: „Hamburg ist Slamburg“, Foolsgarden, 20 Uhr;
28. August, Laola präsentiert Kai Damkowski bei den Zelttheaterwochen, kleines Schanzenzelt neben dem Wasserturm, 19.30 Uhr
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