: Trau, schau, wem?
■ 200 Schausteller stellen sich hinter den beschuldigten Domherren Leopold
„Wir sind eine große Familie. Doch jetzt können wir uns nicht mehr in die Augen schauen.“Raunen im Saal, betretenes Kopfnicken. Willy Rüth, Vorsitzender des „Landesverbandes des ambulanten Gewerbes und der Schausteller Hamburg e.V.“, sitzt in der Bayern-Festhalle auf dem Dom und schimpft auf den anonymen Briefeschreiber, der den Domherren der Wirtschaftsbehörde, Eberhard Leopold, der Korruption beschuldigt. „Er soll sich trauen, hier aufzustehen und Fakten auf den Tisch zu legen!“Wieder Kopfnicken im Saal. Alle bleiben sitzen.
Rund 200 SchaustellerInnen kamen gestern zusammen, um die Ehre der Zunft zu retten und die Leopolds gleich mit. Die Vorwürfe gegen diesen wischte Harry Nülken vom „Schaustellerverband Hamburg von 1884“allesamt mit einem schlichten, aber nachdrücklichen „das kann überhaupt nicht sein“vom Tisch. Blankoüberweisungsvordrucke habe Leopold niemals erhalten. Und bei der Vergabe der Standplätze lief laut Nülken alles seinen ordnungsgemäßen Gang.
Oscar Bruch zum Beispiel besitzt acht Fahrgeschäfte, davon allein drei Achterbahnen. Auf dem Dom betreibt er jedoch nur eine. „Würden die Vorwürfe stimmen“, empört er sich, „dann hätte ich mehrere Plätze!“Allgemeines Kopfnicken.
Wer auf dem Dom ein Karussell seine Runden drehen lassen oder Pommes fritieren will, muß sich bei der Wirtschaftsbehörde darum bewerben. Nach einer ersten Vorauswahl lädt diese VertreterInnen der beiden Schaustellerverbände zur Beratung ein. Wer zu einer attraktiven Mischung auf dem Dom beiträgt, Neuigkeiten bietet, zuverlässig ist und seriös in der Preisgestaltung, bekommt einen Platz.
Von den rund 800 Bewerbern haben nur etwa 250 dieses Glück. Rund 200 davon sind Schausteller, die in der zweiten, dritten oder gar vierten Generation auf dem Dom sind. Nülken spekuliert, daß einer der abgelehnten Bewerber den anonymen Brief verfaßt habe.
Daß der Brief dem Beschuldigten von der Staatsanwaltschaft noch nicht einmal vorgelegt wurde, kritisiert dessen Anwalt Walter Wellinghausen. Elke Spanner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen