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Stichflammen und Orangensaft

Katastrophen-Simulation am Flughafen. Die taz kam trotzdem rein  ■ Von Heike Haarhoff

9.23 Uhr. Ein Knall, eine Stichflamme. Grell-orange lodert das Feuer, die Rauchsäule steigt 500 Meter hoch. Binnen Sekunden ist der Himmel über dem Flughafen Fuhlsbüttel wie von einer Gewitterwolke verdunkelt. Über die Landebahn flitzen Feuerwehr und Rettungswagen heran, die Flammen zucken nur noch ein paar mal unter dem harten Löschwasser-Strahl auf. 9.28 Uhr.

Der Photograph ist enttäuscht. Da sei gar kein Flugzeug explodiert, bloß zwei Autowracks. Simuliert hätten die. Sollten sie auch: Bei der gestrigen Brandalarmübung am Flughafen probten 150 Teilnehmer aus Krisenstab, Feuerwehr, Polizei und Rettungsorganisationen den Ernstfall.

Ein Flugzeug aus London, so das Szenario, landet planmäßig, explodiert dann aber plötzlich. Wie schnell kann so ein Feuer sicher gelöscht werden? Normalerweise müßte der Flugbetrieb komplett eingestellt werden, gestern war nur zehn Minuten Pause.

Verletzte Passagiere sind zu bergen, Krankenhäuser und Angehörige zu informieren. Wichtig: Bei allem nie den Überblick und die Ruhe verlieren. Und die lästige Presse abhalten.

Die hockt in Terminal 4 hinter einer dicken Glasscheibe und erfährt erstmal wenig. Unfallursache ungeklärt, Zahl der Verletzten auch. Bloß keine Panik verbreiten. Informationssperre auch unten, wo die ankommenden Passagiere normalerweise von ihren Liebsten in Empfang genommen werden. Für 9.30 Uhr ist der fiktive Flug Rock Air XX 8758 T angekündigt; jetzt ist es 10 Uhr, niemand kommt. „Vielleicht eine Verspätung“, beruhigt ein Sicherheitsbeamter Fragende. Probe bestanden.

Dann die Durchsage: „Abholer der Gäste des Flugs Nr. XX 8758 T, bitte kommen Sie umgehend zum Terminal 2, Sie werden dort erwartet.“Die Gruppe der „Abholer“, im außerkatastrophalen Leben Polizei-Schüler und heute mit Abholer-Ausweisen an der Brust, setzt sich hektisch in Bewegung. In Terminal 2 befindet sich der Evakuierungsraum. Abholer dürfen rein, Presse auf keinen Fall. „Bitte wenden Sie sich an das Pressezentrum“, sagt eine Beamtin. Professionell.

Aber alle wollen mehr wissen. War es menschliches Versagen? Ein technischer Defekt? Verletzte? Tote? Ein panischer Blick, ein gestammeltes „Gott, ich wollte meine Freundin abholen“reichen: Der Türsteher guckt nicht mal mehr, ob die Reporterin auch ein „Abholer-Kärtchen“besitzt. Schon öffnet sich die streng bewachte Tür. Auch drinnen bemerkt niemand die Presse. Ob sie Orangensaft wolle? Oder lieber Cola? Und vielleicht hinsetzen, „in Ihrem Zustand“.

Die Helferin vom Roten Kreuz ist fürsorglich. Beruhigt, daß es keine Toten gibt. Die 13 Verletzten sind in den Krankenhäusern Barmbek und Ochsenzoll. Jeder „Abholer“füllt Zettel mit Angaben zur Person des vermißten Fluggasts aus – zur schnelleren Identifikation. Die Reporterin denkt sich was aus.

Unerkannt verläßt sie den Evakuierungsraum, kennt Namen und Alter der Passagiere, die Sorgen der Angehörigen. Leise schließt sie die Tür. Der Sicherheitsbeamte davor kann plötzlich überhaupt nicht mehr grinsen. „Wie konnte das...?“

War ja nur eine Übung. Diesmal.

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