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Die Heimatplakattafel Partykellers Revanche

■ Das Meryl Tankard Australian Dance Theatre zeigt mit Inuk beim Sommertheater Festival ein Stück über Landschaften und Menschsein

Fünf wache nächtliche Stunden in einem Transithotel am Singa-pore Airport. Draußen die Runway, ölbeschmiert, versehen mit zahllosen Markierungen: Stammeshieroglyphen des 20. Jahrhunderts. Darüber ein unermeßlich weiter, blauer Himmel. Hotel, Hitze, Hieroglyphen. Heimat, was ist das?

„Ich habe sehr gerne in Deutschland gelebt“, sagt Meryl Tankard über ihre sechs Jahre beim Wuppertaler Tanztheater, „Deutschland ist teilweise mein Zuhause geworden, weil ich hier einen wichtigen Teil meines Lebens verbracht habe. Aber was ich immer vermißte, war die Weite des australischen Himmels.“Auf die Frage nach Heimat, die sich ihr am Singapore Airport auf einer der vielen Tourneen mit dem Australian Dance Theatre stellte, weiß sie auch heute keine Antwort. „For some people it's Gemütlichkeit“, lächelt die Tänzerin und Choreographin aus Adelaide über das exklusive deutsche Wort. „Für mich nicht. Ich bin an das Leben aus dem Koffer gewöhnt.“Trotzdem war der Blick auf die Runway auslösendes Moment für das jüngste Tanztheaterstück ihres Australian Dance Theatre.

Inuk wird vor einem riesigen, plakativ blauen Himmel getanzt. In der Sprache der kanadischen Indianer bedeutet „Inuk“Mensch, und Menschsein, Heimat und Landschaft sind auch die bestimmenden Themen der Choreographie. An ihrer Erarbeitung war das zehnköpfige Ensemble von Anfang an beteiligt: Die eigene Geschichte wurde hinterfragt, Erinnerungen heraufbeschworen und in vielen Improvisationen tänzerisch umgesetzt. Eine Arbeitsweise, die Tankard von Pina Bausch gelernt hat und die ihr heute als die einzig sinnvolle erscheint; schließlich seien ihre Tänzer intelligente, kreative Menschen.

Meryl Tankard gehört nicht nur zu den bedeutendsten ChoreographInnen Australiens – was so schwer nicht wäre, da es down under fast keine Tanzszene gibt –, sondern hat sich mit fünf großen Choreographien in den vergangenen vier Jahren an die internationale Tanztheaterspitze bewegt. Was ihre Arbeiten auszeichnet, ist nicht zuletzt, daß sie kaum etwas gemein haben: Songs with Mara etwa lebt von der Ruhe bulgarischer Volksmusik, Furioso von der Dynamik eines an Seilen unter dem Bühnenhimmel schwingenden Ensembles.

Inuk liegt dazwischen und ist doch ganz anders. Getragen und manchmal getrieben wird das Stück von indianischen Gesängen: Inukfrauen stehen Mund vor Mund und scheinen sich mehr zu beatmen oder gegeneinander statt gemeinsam zu singen. Diese peitschenden Klänge werden abgelöst von norwegischen, irischen, portugiesischen und us-amerikanischen Vokalistinnen und verstreut den Stimmen der TänzerInnen. "Home left me, I never left home“, erinnert sich Kate McIntosh. „It is a destination I am waiting to get at“, erklärt Bernadette Walong. Meryl Tankard hat ihren blauen Himmel auf die Bühne geholt: Heimat als Prospekt, der als Plakattafel dient.

Christiane Kühl

21.- 23. 8., 20 Uhr, Kampnagel k6

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