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„Schnelle Analogien führen zu nichts“

■ Der Politologe Wolf-Dieter Narr über seine Beweggründe, den Spendenaufruf für die Zeitschrift „Novo“ zu unterschreiben

taz: Warum haben Sie den Spendenaufruf unterschrieben?

Wolf-Dieter Narr: Bei meiner Unterschrift ging es mir darum, zu verhindern, daß eine kleine Zeitschrift durch einen großen Medienkonzern kaputtgemacht wird. Es ging also kurzum um Meinungsfreiheit.

Inwiefern?

Das englische und das amerikanische Recht sind so gestaltet, daß man mit einem Prozeß gegen eine Zeitschrift oder eine Person, die etwas publiziert hat, diese Person allein durch den Prozeß – wie auch immer der ausgeht – faktisch schachmatt setzen kann. Sofern man ökonomisch überlegen ist. In diesem Fall geht es ja um ein Bild, das nachweislich ein gestelltes Bild ist. Der Nachweis, daß das Bild gestellt war, hat den britischen Fernsehsender ITN entsprechend verärgert. Dafür soll die Zeitschrift Novo, die das publiziert hat, leiden.

Was heißt „nachweislich gestellt“?

Nach allem, was ich weiß, ist dieses Bild, das exjugoslawische Männer hinter Stacheldraht zeigt, ein gestelltes Bild. Ein Bild, das durch die Weltpresse ging und das darauf hingewiesen hat, daß Lager in KZ- Form in Serbien vorhanden seien.

Geht es Ihnen darum, daß eine kleine Zeitschrift nicht kaputtgemacht werden darf, oder um die Berichterstattung über Serbien?

Es geht um zweierlei. Erstens um die Zeitschrift, die diesen Mißbrauch eines Bildes publik gemacht hat. Zweitens geht es darum, daß man auf diesen Skandal aufmerksam macht, der immer wieder vorkommt: Beim zweiten Golfkrieg war zu sehen, wie mit Bildern Politik gemacht wird, die in sich unwahr sind. Denken Sie an die berühmten CNN-Nachrichten. Bilder, die dem Anschein nach authentisch sind, die aber ein X für ein U vormachen. Und in einer Zeit, in der Bilder wichtiger denn je werden, ist auf diese journalistische Sorgfaltspflicht mehr denn je hinzuweisen, denn sie hat politische Konsequenzen.

Es ging weder mir noch den anderen Aufrufenden darum, die Lage in Bosnien, den Umgang der serbischen Armee und der serbischen Führung mit Gefangenen – wobei es Lager leider auch in Kroatien und Bosnien gegeben hat – zu verharmlosen. Es geht nicht darum, irgend etwas zu verharmlosen.

Den Unterzeichnern des Aufrufs wird im Tagesspiegel mangelnde Urteilsfähigkeit vorgeworfen. Ihr Kollege Hajo Funke fordert, die Unterschriften zurückzuziehen.

Ich bin nicht Herausgeber der Novo oder Schreiber. Es geht mir um die Art, wie mit falschen Informationen – hier Bildinformationen – Politik gemacht wird. Und diese ist auch dann falsch, wenn die Sache selber Richtiges an sich hat. Wenn es Lager gibt, darf man sie trotzdem nicht mit falschen Bildern darstellen.

Es hat diese Lager in Serbien gegeben. Wie nah kommt man bei der Diskussion um das Foto an eine Diskussion um die Leugnung des Holocaust?

Ich stimme dem Deichmann- Artikel nicht in jeder Hinsicht zu. Dem ging es einerseits um das Bild, aber er geht auch auf die Lagersituation in Serbien ein, und das ist mir persönlich unzureichend. Aber die schnellen Vergleiche mit Auschwitz führen zu gar nichts.

Ganz wichtig ist: Weder darf man mit gestellten Bildern ein X für ein U vormachen, noch darf man bei einem solchen Bildmißbrauch anfangen zu sagen: Dann ist das, was damit dargestellt werden sollte – die Lager –, ganz und gar harmlos.

Interview: Barbara Junge

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