■ Die Unruhen demontieren das kenianische Machtgefüge
: Es wird eng für Präsident Moi

Unruhen in Kenia verderben derzeit Tausenden von Touristen den Urlaub. Deshalb wird darüber jetzt berichtet. Dabei schürt die Regierung seit langem gezielt blutige Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volksgruppen – abseits der Reiserouten der Urlauber. Doch da schaut das Ausland nicht so genau hin.

Noch in diesem Jahr sollen in Kenia Wahlen stattfinden. Gewählt wird weitgehend entlang der ethnischen Linien. Mit dumpfem Stammesdenken hat das nichts zu tun. Politiker werden direkt gewählt und vor allem daran gemessen, wieviel sie jeweils für ihre eigene Region tun. Wer wiedergewählt werden will, muß für Krankenhäuser, Schulen und Straßen im eigenen Wahlkreis sorgen. Die Wähler handeln innerhalb des politischen Systems also durchaus vernünftig, wenn sie ihre Stimmen Kandidaten der jeweils eigenen Volksgruppe geben.

Präsident Moi hat sich seit seinem Amtsantritt 1978 vor allem auf den Rückhalt der kleineren Ethnien gestützt, die eine allzu beherrschende Stellung der großen Volksgruppen fürchten. Angesichts wachsender Not, steigender Korruption und lauter werdender Forderungen nach Demokratisierung vor allem in den Städten aber kann der autoritäre Staatschef seines Sieges nicht mehr sicher sein. Das komplizierte kenianische Wahlsystem, ursprünglich als Waffe gegen die Opposition ausgeklügelt, droht ihm nun selbst zum Fallstrick zu werden. Der Wahlsieger muß nicht allein jeden anderen Kandidaten überrunden, sondern darüber hinaus in fünf der acht Provinzen mindestens 25 Prozent der Stimmen erringen. Das könnte für Moi eng werden.

Bereits seit Jahren werden aus bestimmten Provinzen systematisch Angehörige von Volksgruppen vertrieben, die der Regierung traditionell kritisch gegenüberstehen. Vieles spricht dafür, daß sich der Vorgang jetzt an der Küste wiederholt. Möglich ist aber auch, daß Moi die Unruhen nutzen will, um den Ausnahmezustand auszurufen und die Wahlen zu verschie-

ben.

Die Reaktion des Auslands scheint er nicht zu fürchten. Das ist nur zu verständlich: Zwar haben vor den letzten Wahlen westliche Geberländer die Einführung des Mehrparteiensystems in Kenia erzwungen, sich aber danach für Menschenrechtsverletzungen nur noch wenig interessiert. Diejenigen, die in diesen Tagen ihre Existenz oder gar ihr Leben verlieren, haben eine kleinere Lobby als die Urlauber. Bettina Gaus