: Zielgruppe: frustrierte Radiohörer
■ Nächste Woche werden SFB 2 und Radio Brandenburg abgeschaltet und fängt mit den Rolling Stones „Radio Eins“ an
Helmut Lehnert sagt gern auch mal Grundsätzliches. Zum Beispiel erklärt der Chef von „Radio Eins“, dem neuen ORB/SFB-Programm, „daß Formatradio nicht mehr funktioniert“. Derlei kühne Ansagen zur Zeit sind programmatisch zu verstehen: Das neue Radio, das nach dem Abschalten von „B2“ und „Radio Brandenburg“ ab nächsten Mittwoch sendet (Frequenz in Berlin: 95,8 MHz, Kabel 99,95 MHz), will sich vom Start weg von allen bösen Mainstreamradiositten absetzen: kein dummes Gequatsche, keine „Placebo- Hits“, keine aufgewärmten TV- Themen. Damit will „Radio Eins“ all die versammeln, „die vom Privatradio frustriert sind“, wie Lehnert sagt, hauptsächlich solche, die zwischen 25 und 45 Jahre alt sind.
Wer nach den angekündigten Überraschungen auf dem Sendeschema sucht, wird enttäuscht. Eine Programmzeitschrift braucht man für die Sendefolge nicht gerade: morgens „Eins nach fünf“, „Eins nach acht“, „Eins nach elf“ und dann wieder „Eins nach zwei“, „Eins nach fünf“ und „Eins nach neun“, das klingt bei den gescholtenen Privaten auch nicht anders. Der Tag ist „durchmagaziniert“, Nachrichten zur vollen Stunde, Werbung und drei Themenbeiträge pro Stunde.
Aber die Inhalte, sagt Helmut Lehnert, der einst sf-beat, Radio 4 U und Fritz machte, die Inhalte seien anders. Schließlich soll „Radio Eins“ ein „High Quality“-Radio sein, was in Amerika aber auch nur der Name für ein Format ist. Die Programmacher schwören, daß alles in höchster öffentlich- rechtlicher Sorgfalt stattfindet, die Beiträge mit Tiefe, die Moderation mit Haltung, die Höreransprache mit Stil. „Wir glauben, daß die Zukunft des Radios in seiner Vergangenheit liegt“, sagt Lehnert wieder etwas Grundsätzliches und sucht das etwas wolkig zu erklären: „Die Ohren führen nach innen. Das ist die große Möglichkeit des Mediums – seine emotionale Qualität.“
Damit ist wohl die Musik gemeint, und die ist bei „Radio Eins“ ja auch das Wichtigste: Glaubt man den Ankündigungen, findet dort erstmals seit langem in Berlin wieder konzentrierter Rockjournalismus statt, gibt es mal wieder kopfausgewählte Musik statt einer engen Computer-Uhr. Für den Musikjournalismus stehen Namen wie John Peel und Alan Bangs, jeden Abend gibt es zwei längere Special-Musiksendungen.
Und am Tag? Musikchef Peter Radszuhn verweist auf ein Potential von 20.000 Titeln (die Konkurrenz dudele 300 bis 600), und Helmut Lehnert legt schon mal die Hand ins Feuer, nie DJ Bobo zu spielen. Hauptsächlich Musik von heute soll es geben, Genaueres verrät man nicht. Außer Titel Nummer eins auf Radio Eins: „Start me Up“ von den Stones. Lutz Meier
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