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■ Trotz Friedensabkommen zwischen den Bürgerkriegsparteien und UN-Überwachung wird in der ehemaligen Sowjetrepublik Tadschikistan weiterhin gekämpftKrieg um Opium und Aluminium

Berlin (taz) – „Beeindruckt“ vom Fortschreiten der Demokratie in Tadschikistan zeigte sich im Februar 1992 der damalige US- Außenminister James Baker. Ein knappes Vierteljahr zuvor hatte die erste Präsidentenwahl in einem mittelasiatischen GUS-Staat stattgefunden, bei der die Wähler auch eine Auswahl hatten. Und obwohl, fast wie gewohnt, ein Kommunist siegte, bekam sein Gegner, der Filmregisseur Daulat Khudonazarow, immerhin fast 38 Prozent der Stimmen.

Weitere sechs Monate später tobte in der Pamir-Republik ein blutiger Bürgerkrieg. Die KP Tadschikistans hatte eine Koalitionsregierung hinweggeputscht, in der sie die Macht mit Islamisten, Prowestlern und Regionalisten teilen mußte. An Bushaltestellen oder Straßensperren wurden Menschen exekutiert, nur weil sie den „falschen“ Geburtsort im Paß trugen, das Garm-Tal oder Berg-Badachschan, die Ostprovinz, die sich zur Autonomen Republik erklärt hatte. Dörfer wurden ethnisch – in diesem Fall nach Clanzugehörigkeit – gesäubert, die Oppositionsführer und mit ihnen 200.000 andere Menschen flohen über die Berge.

Ein Teil von ihnen kam als Mudschaheddin wieder zurück und nahm den Guerillakrieg auf, den sie nicht minder grausam führten als ihre Feinde. Gegenwärtig wird gerade das letzte Zehntel der Flüchtlinge von der UNO aus Afghanistan repatriiert.

Denn seit Juni herrscht laut Abkommen Frieden im Lande Tadschikistan, allerdings ein Frieden niedriger Intensität. Erst brachten Warlords der Opposition den Friedensschluß in letzter Minute noch in Gefahr, als sie ein Dutzend UN-Beamte und russische Journalisten kidnappten. Jetzt mucken ihre Pendants auf Regierungsseite wie „Oberst“ Mahmud Khudoberdijew auf. Sie befürchten, ihre in fast fünf Jahren Krieg besetzten Pfründen loszuwerden, wenn die Ex-Mudschaheddin in Armee, Polizei und Beamtenapparat eingegliedert werden sollen.

Das Land ist einfach zu klein. Mit einer agrarischen Nutzfläche von nur 6 Prozent des Gesamtterritoriums (bei 5,2 Millionen Einwohnern) verfügen die Tadschiken pro Kopf über die kleinste Ackerfläche unter den Bewohnern aller Republiken Mittelasiens. Die jetzt zurückkehrenden Flüchtlinge waren vertrieben worden, weil sie schon zu Vorkriegszeiten unter anderem nach den gigantischen Staudammbauten in Gebiete umgesiedelt worden waren, in denen alles Acker- und Weideland vergeben war. So war der Tadschikistankrieg weniger einer zwischen Ideologien, zwischen „Islamisten“ und „Säkularisten“, als ein Konflikt um die zu knappen Ressourcen.

Es ist bezeichnend, daß jetzt weniger um den Einzug in den Präsidentenpalast in der Hauptstadt Duschanbe gekämpft wurde als um die Kontrolle über das Aluminiumkombinat von Tursunzode. Das war das größte seiner Branche in der ganzen UdSSR und ist heute der größte Devisenbringer für die ärmste der einstigen 15 Sowjetrepubliken.

Und wie in Afghanistan schuf der Krieg neue Einkommensquellen: Waffen- und Drogenhandel. Daran partizipieren alle Kriegsparteien. Die Mudschaheddin, auch deren Kollegen in Afghanistan, die quasiautonomen Warlords der Regierungsseite, selbst die russische Friedenstruppe, deren Offiziere Berichte über nie stattgefundene Gefechte lanciert haben sollen, damit sie nicht ihre lukrativen Posten am Rande des einstigen Imperiums aufgeben müssen.

Schon – so UNO-Quellen – wartet das Land auf die nächste Rekordopiumernte beim Nachbarn Afghanistan, schätzungsweise 2.500 Tonnen. Ein großer Teil davon geht über die neue Nordpassage des Drogenhandels, durch die ehemalige Sowjetunion, nach Westeuropa. Und wenn im nächsten Winter tadschikische Bauern die zugefrorenen Grenzflüsse überqueren, zahlen sie den Verkäufern am afghanischen Ufer 100 US-Dollar pro Kilo Rohopium. In den benachbarten zentralasiatischen Republiken Kirgistan und Usbekistan erhalten sie dafür das Zweieinhalb- bis Zehnfache. Auch wenn der Preis, nach der illegalen Raffinierung des Opiums zu Heroin etwa in ansonsten stilliegenden kasachischen Chemiefabriken, bis Berlin oder London noch um ein Vielfaches steigt – dieser Gewinn reicht allemal, um den Krieg in Tadschikistan noch eine Weile köcheln zu lassen.

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