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Zum Sterben verurteilt: Altenwerder, Teil 2

Moorburg: Niemand hilft dem nächsten Opfer der Hafenerweiterung  ■ Von Heike Haarhoff

Das alte Landgasthaus „Moorkathen“am Moorburger Kirchdeich sieht aus, als könne es ein paar Kleckser neue Farbe gebrauchen. Ein paar Schritte weiter, am Moorburger Elbdeich, rotten die Reetdächer einst feudaler Bauernhäuser vor sich hin. „Das hier ist keine normale Wohnlage“, erklärt Sibylle Frey den schleichenden Verfall. „Moorburg“, klagt die Anwohnerin, „ist ein Stadtteil, der zum Sterben verurteilt ist“.

Die rund 1700 Menschen in Moorburg und im benachbarten Francop-Ost sollen mittelfristig abgesiedelt und ihre Dörfer im Sü-derelberaum dem Hafen geopfert werden. „Altenwerder, Teil 2“, fürchten die Leute. Seit 36 Jahren, als Moorburg, Francop und Altenwerder per Gesetz zum „Hafenerweiterungsgebiet“erklärt wurden, „schwebt das Damoklesschwert über uns“, sagt der Harburger SPD-Fraktionschef Manfred Hoffmann.

Die Stadt hat das Vorkaufsrecht auf alle Gebäude, und für die wenigen, die noch im Privatbesitz sind, hat sie eine bauliche „Veränderungssperre verhängt“. Bis 2015 dauert die Galgenfrist, dann läuft die „gesetzliche Bestandsschutzgarantie“der Dörfer ab. Danach – alles ungewiß. „Wir können nicht mehr, niemand will investieren, die Geschäftsleute laufen davon“, schildert Rainer Böhrnsen vom Stadtteilzentrum „Die Moorburg“die Stimmung im Ort.

Moorburg und Francop müssen raus aus dem Hafenerweiterungsgebiet, fordern mit den EinwohnerInnen sämtliche Parteien im Bezirk Harburg, und dieser Tage, so kurz vor der Wahl, fordern sie es lauter. Vor vier Jahren schließlich scheiterten die rotgrünen Koalitionsverhandlungen nicht zuletzt am Thema Hafenerweiterung. Und heute? Altenwerder ist unwiederbringlich zerstört; umso unerbittlicher, finden die MoorburgerInnen, müßte sich die GAL diesmal für die Herausnahme Moorburgs und Francops aus dem Hafenerweiterungsgebiet einsetzen.

Doch deren Spitzenkandidatin Krista Sager mag sich dazu nicht hinreißen lassen: „Es gibt keine Knackpunkte“, erklärt sie. Dann, immerhin: „Moorburg wird wieder ein wichtiger Verhandlungspunkt sein.“Wie wichtig, darüber schweigt sie lieber.

Die SPD nämlich sieht überhaupt keinen Anlaß, an diesem Status irgend etwas zu ändern. „Moorburg ist im Hafenentwicklungsgebiet, und da bleibt es auch“, erklärt ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Werner Dobritz. Es sei „idiotisch“, sich die „Spielräume im Hafen jetzt zu nehmen“. Ob Moorburg je gebraucht werde, sei ungewiß und „von künftigen Generationen zu entscheiden“. Aber eine Herausnahme aus dem Hafengebiet? Nicht mit der SPD.

Mit dieser starren Haltung stehen die Sozis nicht allein da. Die Spitzenkandidaten von CDU über Statt Partei bis FDP nicken der SPD begeistert zu. Die Gunst des Mitregierens jedenfalls würde sich – wegen Moorburg – keiner von ihnen verscherzen. „Da wären wir ja blöd“, sagt ein CDUler.

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