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Ratten im Cyberspace

■ Nachrichten aus Umtata, Teil drei, oder: Wie E-Mail-Botschaften in eiskalter Luft Gelächter wecken

Es ist eiskalt im Computerraum der University of Transkei in Umtata. Kalt flimmern die zehn funktionierenden Bildschirme, kalt und nutzlos stehen ein paar dutzend Computerteile auf den Tischen, kalt fegt der Bergwind durch die halboffenen Lamellen-Fenster. Nur Andile wird es warm ums Herz. Das liegt nicht an seinem Wintermantel, der Baseballkappe und den Stiefeln. Die Wärme kommt aus dem Cyberspace. „NDIYAKUTHANDA“leuchtet es grün auf schwarz von seiner Mattscheibe, „Ich liebe Dich“. Thandeka, die Absenderin der wärmenden E-Mail-Botschaft, sitzt zwei Reihen vor ihm und guckt, als wäre nichts gewesen, cool geradeaus. Bis sie auf ihrem Bildschirm liest: „Achtung: Jemand greift Dir gerade von hinten in die Tasche!“Lachend loggen sich Andile und Thandeka aus und gehen aufgewärmt zur nächsten Vorlesung. Computer sind eben nützliche Geräte – sogar am winterlich kalten Südzipfel Afrikas.

„Die Tatsache, daß sie schon mal eine Tastatur benutzt haben, hilft enorm“, lästert Jeff Brown über die Informatik-Absolventen der Transkei-Universität. Lauter nutzlose Computersprachen der 70er und 80er Jahre würden die Studenten dort lernen, klagt der Alleininhaber und Manager des einzigen Computerbusiness in der Halbmillionenstadt Umtata. Von den praktischen Problemen der Datenbeschleunigung verstünden sie dagegen überhaupt nichts.

„Als wir neulich gerade mit der Vernetzung der Büros im Botha-Sigcau-Regierungsgebäude fertig waren, da war ein Viertel der Kabel schon wieder von Ratten angefressen“, erinnert sich Brown, „für solche Probleme brauche ich Ingenieure mit handwerklichem Talent, keine Theoretiker, die noch nie einen Lötkolben in der Hand hatten.“Trotzdem hat der Computerunternehmer gerade zwei Absolventen der örtlichen Uni eingestellt: „Von außerhalb kriege ich sowieso niemanden, wer will schon in Umtata leben? Schreiben Sie das ruhig mal in Deutschland in die Zeitung!“

Gute Geschäfte lassen sich mit den Datenschleudern auch in Umtata aber durchaus machen. Steuerberater, Supermärkte, Notare und Krankenhäuser gehören zu Jeff Browns Kunden. Nur sein Angebot eines eigenen Internet-Zugangs ist in Umtata bisher „ein totales Verlustgeschäft“, wie er ungefragt gesteht. Gerade 40 „User“haben sich angemeldet, darunter zum Beispiel der Professor, der per E-Mail mit seinen Kindern Kontakt halten will, die in den USA studieren, aber nicht ein einziger echter Hacker.

„Spielen verboten“steht dick unterstrichen auf einem Zettel am Eingang zum Computerraum der University of Transkei. Doch wie so oft, ist auch hier das Verbot der beste Hinweis auf das, was tatsächlich geschieht. Wo, wenn nicht im Freiraum der Universität kann ein unverkrampfter Umgang mit der neuen Technik entstehen?

Wenn Mboneni Mulandzi vor Mitgliedern des Studentenrats der Transkei-Universität über die großen Möglichkeiten der elektronischen Vernetzung spricht, dann fällt dem Präsidenten der studentischen Medien-Vereinigung der Austausch von Artikeln, das lichtschnelle Verbreiten von Rundbriefen und die Möglichkeit ein, von jedem Campus aus auf eine gemeinsame Datenbank mit Texten zur Unipolitik zuzugreifen. Tatsächlich erleichtert die Elektronenpost in einem Riesenland wie Südafrika die Zusammenarbeit enorm. Aber Begeisterung weckt etwas anderes: Wenn Andile, Thandeka, Nxoliswe oder Sithembele im Computerraum vor dem Bildschirm arbeiten, und plötzlich taucht vor ihnen ein Buchstaben-Monster auf – abgeschickt von einem feixenden Mzwakhe in der letzten Reihe. Dann wärmt Lachen die eiskalte Luft. Dirk Asendorpf

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