: Kennt noch jemand die alten Postleitzahlen?
■ betr.: Rechtschreibreform, u.a. taz vom 14.8. 97
Ein Erfolg der Rechtschreibreform würde zwar nicht das Ende, aber eine Verarmung der deutschen Sprache bedeuten. Das muß man nicht wichtig finden, wenn man auf den Erhalt von Ausdrucksmöglichkeiten keinen Wert legt, aber die Diffamierung der Reformgegner als faul oder gar reaktionär zeugt vom Mangel an sachlichen Argumenten im Lager der Befürworter. Dabei hätte man über einige Änderungsvorschläge reden können.
Völlig inakzeptabel ist aber die Vertilgung von Wörtern durch die Getrenntschreibung (beliebtes Beispiel: „liebhaben“ wird es nach dem Willen der Reformer bald nicht mehr geben). Noch hat man die Möglichkeit, den Unterschied zwischen „sitzenbleiben“ und „sitzen bleiben“ oder „richtigstellen“ und „richtig stellen“ deutlich zu machen. Wer die Tragweite solcher Änderungen nicht begreift, tut mir echt (nach der dekretierten neuen Schreibweise:) Leid.
Die Reformer sollten sich, wenn sie andere der Faulheit bezichtigen, mal an die eigene Nase fassen und sich die Mühe machen, anstatt nur neue Regeln zu lernen, die konkreten Auswirkungen an der Vielzahl einzelner Beispiele nachzuvollziehen. Hier geht es doch nicht nur um „Schiffahrt“!
Sollten die Sprachverwalter sich doch durchsetzen, bliebe uns noch eine Möglichkeit: Die konsequente Weiterverwendung der alten Wörter, damit ihnen durch den alltäglichen Gebrauch wieder Eingang in die Wörterbücher verschafft wird. Achim Wesjohann, Dresden
Das wohl nicht mehr aufzuhaltende Scheitern der Rechtschreibreform erinnert mich an den vor 20 Jahren gescheiterten Versuch der USA, das metrische System einzuführen. Kilometer, Liter, Celsius anstelle von Meilen, Gallonen, Fahrenheit. Man wußte, daß es eine ganze Menge Sinn macht (es ist anwendungsfreundlicher, leichter zu lernen und ist quasi Weltstandard), aber die Bevölkerung war nicht zum Umdenken bereit. Dabei ist es ein erstaunlich schneller Prozeß. Wer sich einmal ein halbes Jahr oder länger in den USA aufgehalten hat, weiß wie schnell sich das Bewußtsein auf Fahrenheit und Meilen umstellen kann. Beispiel deutsche Postleitzahlenreform von 1993. Erst wurde viel protestiert, sechs Monate später konnte sich doch keiner mehr an seine Postleitzahl erinnern.
Es ist schon interessant, wer sich im Lager der Rechtschreib-Konservativen alles zusammenfindet. Da ist der Schriftstellerverband, Teile der CSU, die taz, Der Spiegel und die Populisten der FDP.
Der gegenwärtige Stand der deutschen Rechtschreibung und Zeichensetzung ist nicht gerade ausländerfreundlich (Deutsch als Fremdsprache ist schwierig zu lernen). Bin ich aber froh, daß vor 60 Jahren die Handschrift-Reform erfolgreich durchgezogen wurde. Man stelle sich vor, (ausländische) Deutsch-Studenten müßten auch noch Großmutters altdeutsche Handschrift erlernen... Dirk Heydtmann,
Overland Park, Kansas/USA
[...] Sprache lebt, muß leben und wird sich das Leben von keiner Macht der Welt verbieten lassen. Nicht der, der nähmlich mit h schreibt ist dämlich, sondern der, der den „Fehler“ anprangert. Ich werde weiterhin ein Outlaw bleiben und „falsch“ schreiben und mir mein Leben verpfuschen, nur weil ich nicht richtig Schreiben mag. Solange bis auch der letzte begriffen hat daß „Der an unseren Schulen unternommene Versuch eine rigorose Rechtschreibung einzuführen, nichts anderes ist, als ein lebendiges Ausdrucksmittel die Sprache mit Leichenstarre zu infizieren, um uns so auf die Eiseskälte einer zukünftigen Welt der Computer vorzubreiten (Sir Peter Ustinov).“ Christian Tauscher, Isny/Allgäu
Bedauerlich, daß die taz nicht eindeutiger zugunsten der Rechtschreibreform Position bezieht, indem sie die Zeitung endlich nach den neuen Rechtschreibregeln druckt. Damit nähme die taz den Reformgegnern sehr schnell den Wind aus den Segeln. Oder hat die taz Angst, dann die Spalten des Sommerlochs nicht mehr füllen zu können? Georg Weil, Hannover
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