: Kein Hamburger mit anderer Soße
■ Klaus Kocks, Marken-Vorstand bei VW, sieht nur bei der Konkurrenz Probleme durch Überkapazitäten in der Autobranche
taz: Weltweit gibt es immense Überkapazitäten in der Autobranche. Haben Sie Angst, beim Kampf der Giganten unterzugehen?
Klaus Kocks: Nein. Es gibt zwar Überkapazitäten sowohl in Europa als auch weltweit. Aber das ist die volkswirtschaftliche Sicht der Dinge. Volkswagen ist ausgelastet bis zur Halskrause. Wir überlegen zur Zeit, unsere Kapazitäten zu erweitern. Das ist für den Kapitalismus ja keine ungewöhnliche Situation: Die nicht mehr wettbewerbsfähigen Kapazitäten gehen aus dem Markt, wettbewerbsfähige Kapazitäten entstehen.
Wer bleibt auf der Strecke?
Das ist schwer zu sagen. Ich glaube aber, nicht wir. Es gibt prinzipiell zwei Strategien. Zum einen die der global products. Ich nenn' das McDonald's-Philosophie: weltweit ein identisches Produkt verkaufen, das eine nationale Einfärbung kriegt – ein Hamburger mit einer anderen Soße sozusagen. Wir fahren eine andere Politik. Wir glauben nicht an globale Konzepte, sondern entwickeln spezifische Produkte für Europa, die USA und Asien. Der Rationalisierungseffekt ist beim McDonald's- Konzept am höchsten. Wir glauben aber, daß die Marktdurchdringung dabei gering bleibt. In Europa jedenfalls bestätigt sich das. Die gigantischen Überkapazitäten werden deshalb vor allem die Firmen mit dieser Strategie haben. Wir setzen auf die Qualifikation der Produkte. Der neue Golf hat ein satellitengesteuertes Navigationssystem. Da geben Sie nur noch die Straße ein, zu der sie hinwollen, und die freundliche Computerstimme führt Sie hin. Firmen mit einer Good-enough-Philosophie werden Probleme bekommen, glaube ich. Denn wer nur soviel in ein Auto steckt, daß es fährt, der wird rausfallen aus dem Markt.
Aber auch die Japaner setzen auf differenzierte Modelle.
Es gibt einen Preiskampf. VW macht sehr aggressives Pricing. Wir haben letzte Woche den neuen Golf vorgestellt. Der ist ausstattungsbereinigt 3.000 Mark billiger als das Vorgängermodell.
Wo sparen Sie das ein?
Für den alten Golf haben wir 32 Stunden Produktionszeit gebraucht, für den neuen brauchen wir nur 20 Stunden. Der Aufwand ist um ein Drittel niedriger. Wir haben hohe Einsparungen auf der Einkaufsseite, von denen wir einen Teil an den Kunden weitergeben können. Die Masse macht's. Wir bauen 700.000 Golf und zusammen mit Audi A3 und Škoda Oktavia auf dem gleichen Chassis fast 1,2 Millionen Autos. Und für die kaufen wir zum Beispiel gleiche Zigarettenanzünder.
Aber Sie haben doch gesagt, die Autos werden individueller...
Standardisierung der Grundelemente und Individualisierung des Autos. Das heißt: Alle Teile, die für den Kunden nicht sichtbar sind, sind identisch. Alle sichtbaren Teile sind dagegen individuell.
Haben Sie Angst vor der Billigkonkurrenz aus Südkorea?
Nein, weil wir Autos bauen, die als Maßstab ihrer Klasse gelten. Der neue Golf hat eine vollverzinkte Karosserie, auf die wir 12 Jahre Garantie geben. Das kann weltweit niemand – mit drei oder vier Ausnahmen. Da wird uns irgendeine Stahlschweißklitsche in Timbuktu keinen Ärger machen.
Für den deutschen Markt mag das ja zutreffen. Aber in Lateinamerika und Asien haben die Kunden oft viel weniger Geld.
Da bauen wir ja auch andere Autos.
Die Autoindustrie verhält sich, als ob sie die Welt immer mehr mit Autos vollstopfen könnte. Sehen Sie keine Wachstumsgrenzen?
Die ökologischen Grenzen sind – nicht von ihrer Bedeutung her, aber von ihrem Einschränkungsfaktor her – weniger bedeutsam als die ökonomischen Grenzen. Es wird in China beispielsweise deshalb nicht boomen, weil die Kaufkraft nicht da ist. Bei den Ballungszentren stoßen wir natürlich an Grenzen. Wenn wir da nicht in gemischte Verkehrsformen reingehen, bricht das ganze System zusammen. Interview: Annette Jensen
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