: „Gott hat sich für das neue Geld entschieden“
In der ehemaligen portugiesischen Kolonie Guinea-Bissau wird jetzt auch mit Franc-CFA bezahlt ■ Aus Bissau Thomas Baur
65 Pesos gleich ein Franc-CFA: Mit dieser kruden Umrechnungsformel schlagen sich die Menschen in Guinea-Bissau herum. Waren etwa für das beliebte „Pampa“- Bier bislang 20.000 Pesos fällig, müßte der mangels Maßkrügen in Einmachgläsern servierte Durstlöscher jetzt eigentlich 307 CFA kosten. Doch nicht nur die Wirte rund um den Praça Che Guevara nutzen den Beitritt von Guinea- Bissau zur CFA-Zone, der Einheitswährung der ehemaligen französischen Kolonien, für saftige Aufschläge.
Mit der vor wenigen Wochen vollzogenen Währungsumstellung ist im Armenhaus Westafrikas nichts mehr wie es war. Was dem Internationalen Währungsfonds (IWF) mit seinem Programm zur Strukturanpassung nur ansatzweise gelang, schaffte das „Geld des Senegals“, wie der CFA im Volksmund heißt, praktisch über Nacht: die Annäherung an eine Marktwirtschaft.
Dabei ist Guinea-Bissau nur der Probelauf im monetären Monopoly, bei dem die Banque de France diskret die Fäden zieht. Mit der ehemaligen portugiesischen Kolonie tritt erstmals ein nicht frankophones Land der CFA-Zone bei, ein Wirtschaftsraum von jetzt 15 Staaten mit annähernd 90 Millionen Menschen – und Frankreichs postkoloniale Mitgift für den Euro. Bis zu dessen Einführung will Frankreich weitere Länder einbinden. Als nächster Kandidat gilt das rohstoffreiche Guinea- Conakry, das unter dem Regime von Sékou Touré einst am radikalsten mit der Grande Nation gebrochen hatte. Aber auch der Republik Kap Verden werden Beitrittschancen eingeräumt.
Dabei ist bislang noch völlig offen, was mit dem CFA, der zum französischen Franc im Verhältnis eins zu hundert gehandelt wird, nach der endgültigen Einführung des Euro passiert. Zwar existiert im Maastricht-Vertrag ein entsprechendes Zusatzprotokoll. Grundsätzlich aber sei diese Frage, so das Bonner Finanzministerium, noch Gegenstand weiterer Verhandlungen innerhalb der EU. Allgemein wird damit gerechnet, daß der CFA direkt an den Euro gekoppelt wird – spätestens wenn die europäischen Nationalbanken ihre Unabhängigkeit verlieren.
Derweil absolviert eine halbe Hundertschaft von Bankern aus Abidjan und Dakar einen Crashkurs in Sachen modernes Bankwesen. Denn das kleine Land hat die Währungsumstellung schlecht vorbereitet und völlig überstürzt vollzogen. Zwar hängen überall Plakate, die die neuen Scheine zeigen und zuhauf wurden fotokopierte Umrechnungstabellen verteilt. Doch alle haben mit den ellenlangen Zahlenkolonnen ihre Not.
So kommt Staatspräsident João Vieira nicht umhin, allabendlich via Fernsehen die Werbetrommel zu rühren. Mal zeigt er sich im Kreis von Mekka-Pilgern, die brav bezeugen, daß ihre Franc-CFA auch in Saudi- Arabien anstandslos akzeptiert wurden, dann wieder verkündet er vollmundig, kein Geringerer als Gott habe sich für das neue Geld entschieden. Der Haken dabei: Nur wenige Begüterte besitzen einen Fernseher, selbst Radios sind ein Luxus.
Andernorts hat dagegen die Kunde vom neuen Geld fast schon eine Völkerwanderung ausgelöst. Senegalesen, vor allem aber Händler aus dem Wüstenstaat Mauretanien, wollen den alteingesessenen Libanesen und Syrern die Kundschaft abjagen. Sie und holländische Firmen haben in Guinea-Bissau die Nachfolge deutscher Kontore übernommen, die bis zum Ersten Weltkrieg den Handel mit europäischen Waren und die Vermarktung von Palmöl dominiert hatten. Im einzigen Luxushotel der Hauptstadt Bissau herrscht zur Zeit ein Kommen und Gehen internationaler Investoren. Auch wenn das Land keine lukrativen Rohstoffe besitzt, will man auf jeden Fall die Lage sondieren.
Doch zunächst sorgt das neue Geld für ganz banale Probleme. So waren Falschgeld oder Überfälle bis dato keine Thema. Die galoppierende Inflation hatte den Peso zuletzt derart entwertet, daß Bankräuber schon mit einem ganzen Möbelwagen hätten anrücken müssen, um die Beute abzutransportieren. Mit dem kärglichen Monatsgehalt eines Staatsangestellten, wurde es denn ausgezahlt wurde, ließ sich früher leicht eine ganze Plastiktüte füllen. Beim CFA paßt dagegen die gleiche Summe bequem in die Brusttasche – Erleichterungen, die Handel und Gewerbe freudig begrüßen. Vor allem aber habe man jetzt eine stabile, konvertierbare Währung mit festem Wechselkurs, heißt es allenthalben. Endlich sei auch der Selbstbereicherung der herrschenden Klasse ein Riegel vorgeschoben, die dauernd die Notenpresse angeworfen und so die Staatsfinanzen ruiniert hätte.
Es gibt aber auch warnende Stimmen. Unvergessen ist der Coup vom Januar 1994, als der CFA gegenüber dem Franc um die Hälfte abgewertet wurde. Blutige Unruhen mit zahllosen Toten waren die Folge. Den Preis mußten damals die einfachen Leute mit ihren Spareinlagen zahlen, während insbesondere französische Konzerne den Buchwert ihrer Beteiligungen in rentablen Wirtschaftsbereiche auf einen Schlag um die Hälfte abschreiben konnten. Der senegalesische Wirtschaftswissenschaftler Sanou Mbaye spricht in diesem Zusammenhang von „legalisiertem Betrug unter wohlwollender Billigung der Eliten“.
Auch in Guinea-Bissau, wo 1446 die europäische Kolonialisierung Schwarzafrikas ihren unrühmlichen Anfang nahm, stehen Gewinner und Verlierer schon fest: clevere Spekulanten auf der einen, die ländliche Bevölkerung auf der anderen Seite. Denn bei einer Übergangszeit von lediglich drei Monaten, die zu allem Überfluß auch noch in die Regenzeit fiel, sind wohl größere Geldmengen schlichtweg „im Busch“ geblieben. Vor Ort schütteln selbst die Vertreter der Weltbank den Kopf über diesen Parforceritt.
Dabei wird die Währungsumstellung nicht nur von Seite der Geberländer grundsätzlich begrüßt. Selbst Oppositionelle, die der Regierung öffentlich vorwerfen, sie habe das Land an die Franzosen verkauft, verweisen intern auf das Beispiel Senegal. Ohne nennenswerte Rohstoffe, aber dank dem CFA, weise der Nachbar eine weitaus gesündere Volkswirtschaft auf, als das mit Gold, Diamanten und den weltgrößten Bauxit-Vorkommen gesegnete Guinea-Conakry. Deswegen hatte der Westen diesem Land nach der Unabhängigkeit große Entwicklungsmöglichkeiten prophezeit. Eine gewaltiger Trugschluß, wie sich zeigte. Heute funktioniert die Stromversorgung nicht einmal mehr in der Hauptstadt. Dabei galt Conakry einst als das „Paris Westafrikas“, prächtiger noch als Dakar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen