: Fünfzehn Jahre lang war Prinzessin Diana mit dem britischen Thronfolger Prinz Charles verheiratet. In dieser Zeit hat sie dazu beigetragen, die britische Monarchie gründlich zu verändern. Sie zerstörte den Mythos der harmonischen Familie Wi
Fünfzehn Jahre lang war Prinzessin Diana mit dem britischen Thronfolger Prinz Charles verheiratet. In dieser Zeit hat sie dazu beigetragen, die britische Monarchie gründlich zu verändern. Sie zerstörte den Mythos der harmonischen Familie Windsor, schuf ein ungewohntes neues Frauenbild und stellte althergebrachte Traditionen in Frage. Mit ihrem Tod kehrt Diana, von ganz Großbritannien beweint, in die Königsfamilie zurück, die nun auf ein Ende ihrer Krise hofft.
Trauer um die Märchenprinzessin
„Alle blickten zu ihr auf, alle liebten sie, sie hat viele gute Werke getan.“ Millionenfach müssen gestern in Großbritannien Sätze wie dieser gefallen sein, den am Vormittag ein trauernder Schwarzer vor dem Kensington-Palast, Lady Dianas Londoner Residenz, gegenüber dem BBC-Fernsehen äußerte. Ein ganzes Land beweint seine Märchenprinzessin.
Prinzessin Diana war die wohl beliebteste Königin, die Großbritannien nie gehabt hat. Ihre Hochzeit mit Prinz Charles 1981 war eine Traumhochzeit, die letzte richtig unbeschwerte und populäre Feier der britischen Monarchie. Wie keine andere in der Königsfamilie wuchs die aus niederem Adel stammende Prinzessin von Wales in eine neuartige Vorbildfunktion für britische Frauen hinein. Die „Diana-Frisur“ war nach 1981 der Renner der britischen Haarmode, und die Diana-Rolle der aufmüpfigen Ehefrau und zugleich der erfolgsorientierten Aufsteigerin war der britischen Gesellschaft der Thatcher-Ära wie auf den Leib geschnitten.
Diana zerstritt sich zwar zuletzt mit den Tories, aber in ihrem Leben war sie ein Symbol des von Thatcher geprägten konservativen Großbritannien, in dem die zielbewußte Verfolgung des persönlichen Glücks höher steht als die Unterordnung unter Tradition und familiären Zwang. Sie gestaltete ihr öffentliches Image gerade so skandalumwittert, wie es eine Figur des öffentlichen Lebens tun muß, um dauerhaft interessant zu bleiben. Gegenüber der zuweilen steifen und überheblichen Familie Windsor repräsentierte sie den Typ des Parvenü mit Glamour. Das war der Mythos Diana, der so gar nicht zum sonst bei den Royals gepflegten konventionellen Bild der heilen Familie paßte.
Mit dem Mythos Monarchie, wie er noch zu Thatchers Zeiten in Großbritannien ziemlich unangefochten herrschte, konnte dies nur in Konflikt geraten. Den Mythos Monarchie beschrieb die Publizistin Sara Maitland 1996 anläßlich der Scheidung von Diana und Charles als den der „absolut moralischen, emotionalen, sozialen, sexuellen und praktischen Notwendigkeit und Vorzüglichkeit der heutigen romantischen Form der Kleinfamilie“. Die Königin ist darin, wie es 1953 bei der Krönung von Queen Elizabeth II. in einem Zeitungsartikel hieß, „die Ader der Tugenden, die durch sie in die Gesellschaft fließen müssen“. Und natürlich konnte die Entzweiung zwischen Prinzessin Diana und der Familie Windsor nur deshalb so bitter werden, weil Diana wie die meisten Briten an diesen Mythos glaubte. Je tiefer im Laufe der Jahre Dianas Enttäuschung geriet, desto heller hob sich ihr eigenes Selbstbild dann in der öffentlichen Meinung von den düsteren Ritualen der Königsschlösser und der verschrobenen Exzentrik des Prinzen Charles ab.
Als Charles und Diana sich 1992 trennten, war sie der Publikumsliebling, und nicht er, obwohl er am Ideal der heilen Familie hing, und nicht sie. Dies ist Dianas Hinterlassenschaft an die Institution der britischen Monarchie. Das ist zwar die Folge vorheriger Veränderungen im Frauen- und Familienbild der britischen Gesellschaft, es hat aber revolutionäre Konsequenzen für die Monarchie, was auch immer man im einzelnen von den handelnden Personen halten mag.
Gerade dadurch, daß sie an der Königsfamilie scheiterte, erzwang Diana die Modernisierung. Der früher geradezu sakrale Respekt der Briten vor ihren Royals ist verschwunden, der im Ausland so bewunderte königliche Prunk wird immer weniger geschätzt. Im Großbritannien der 80er und 90er Jahre muß schließlich alles einen Zweck haben. Thatchers Konservatismus verlangte von allen gesellschaftlichen Aktivitäten den Nachweis ökonomischer Effizienz, Blairs New Labour will dazu auch noch sozialen Nutzen sehen. Diana war die erste, die auch innerhalb der Königsfamilie die Frage nach dem Warum stellte. Hätte Charles eine gefügige Ehefrau gefunden, wäre die Monarchie von diesen neuen Fragen vielleicht noch eine Weile verschont geblieben. So aber wurde nun über die Finanzierung der königlichen Aktivitäten und die Rangliste der Thronfolger öffentlich diskutiert wie schon lange nicht mehr.
In gewisser Weise ist dies eine Anknüpfung an frühere, bewegtere Zeiten. Dianas jüngste Affäre mit dem ägyptischen Milliardärssproß Dodi Fayed, dessen Vater in seiner Gier nach Anerkennung durch das britische Establishment das Harrods-Kaufhaus erworben und die halbe Konservative Partei korrumpiert hat, wirkt ja eher wie ein Rückfall in das 18. und frühe 19. Jahrhundert, als britische Könige sich geradezu an Skandalen und Anfeindungen labten. Erst in der langen Herrschaftszeit von Queen Victoria zwischen 1837 und 1901 festigte sich das Bild der Monarchie als unangefochtenes Sinnbild britischer Harmonie.
Aber nun kehrt Diana posthum in die Familie zurück und wird nachträglich, ganz verhinderte Königin, mit all jenen harmonischen Qualitäten ausgestattet, denen sie im wirklichen Leben entgegenwirkte. Alle beweinen sie, alle lieben sie. Mit ihrem Tod kann die Königsfamilie wieder glücklich und langweilig werden und ihre Selbstzweifel vergessen. Charles kann seine langjährige Geliebte Camilla Parker-Bowles heiraten, deren Großmutter schon Anfang des Jahrhunderts einem Thronfolger als Mätresse diente. Seine Söhne werden in ihre traditionellen Rollen hineinwachsen, ohne sich mit der unangenehmen Frage nach dem Status ihrer geschiedenen Mutter herumschlagen zu müssen.
Wenn nichts dazwischenkommt, feiert Großbritannien dann 2002 das Goldene Jubiläum der Queen, ohne daß irgend jemand noch grundsätzlich an der Monarchie zweifelt. Wie passend, daß der Tod des Störenfriedes Diana so schnell nach dem Amtsantritt von Tony Blair als Premierminister kommt, für den ganz traditionell die heile Familie den Grundstein der heilen Gesellschaft bildet. Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen