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Vater hat leider einige Macken

■ Ist ja auch Gabriel Byrne: „The Last Of The High Kings“ ist ein verfilmter Bildungsroman aus dem vornehmeren Teil Dublins, garniert mit aparten Scherzen

Dublin im Sommer 1977. Frankie Griffin (Jared Lato), 17 Jahre alt, hat seine Abiturprüfungen hinter sich und muß sechs Wochen auf die Ergebnisse warten. Er ist davon überzeugt, daß er durchgefallen ist. An seiner Zimmerwand streicht er die Tage bis zur Notenverkündung ab – dem Tag, an dem seine Welt unweigerlich enden wird. Doch vorher macht er sich an zwei Mitschülerinnen (Lorraine Pilkington, Emily Mortimer) heran, die von der ganzen Klasse angehimmelt werden. Auch hier ist Frankie pessimistisch: Ein Mädchen, das sich mit ihm einläßt, muß entweder blind oder völlig verzweifelt sein.

„The Last Of The High Kings“ ist komisch, harmlos, sehr entspannend. Bei Filmen, die in Dublin spielen, standen bisher meist Arbeiterviertel im Mittelpunkt. Die Griffins aber leben in Howth, einem vornehmen Vorort im Norden der Hauptstadt. Die Familie hat einige Macken: Der Vater (Gabriel Byrne) ist Schauspieler, zitiert vor seinen Kindern ständig Shakespeare und haut in der für Frankie so wichtigen Lebensphase nach New York ab, um den Othello zu spielen. Die Mutter (Catherine O'Hara) ist eine völlig überdrehte Nationalistin, die davon überzeugt ist, daß ihre Kinder die letzten direkten Nachfahren der irischen Hochkönige sind. Den Familienhund hat sie „Parnell“ – nach einem irischen Nationalhelden des vorigen Jahrhunderts – getauft, im Nachbarn sieht sie einen Feind, dem sie das Leben zur Hölle macht, weil er Protestant ist.

„The Last Of The High Kings“ basiert auf dem gleichnamigen Erstlingsroman von Ferdia Mac Anna und hat stark autobiographische Züge. Mac Anna wurde 1955 in Sandycove geboren, einem anderen vornehmen Dubliner Vorort, und als er fünf war, zog die Familie nach Howth. Sein Vater Thomas Mac Anna war am Abbey Theatre und wurde später dessen künstlerischer Leiter, die Mutter war Schauspielerin und genauso überdreht wie die Filmmutter, so bestätigt ein Bekannter von mir, der Ende der siebziger Jahre mit Ferdia Mac Anna eine Wohnung geteilt und die Mutter kennengelernt hat. Mac Anna war damals Rock 'n' Roll-Sänger, sein Pseudonym war Rocky De Valera. 1985 erlitt er einen Hirnschlag, von dem er sich trotz ärztlicher Skepsis vollständig erholte, doch zwei Jahre später bekam er Krebs und mußte sich einen Hoden abnehmen lassen – „aus Stereo wurde Mono“, wie Mac Anna es in seinem Bestseller über seinen Kampf gegen die Krankheit beschreibt.

Mac Annas Jugend, die er in „The Last Of The High Kings“ beschreibt, war typisch für die Dubliner Mittelschicht. Deshalb stößt der Film auch bei denjenigen auf die größte Begeisterung, die in den fünfziger Jahren geboren sind. Man kennt den Schwebezustand zwischen Akne und Erwachsensein, zwischen Entdeckung der Sexualität und dem damals noch festeren Griff der katholischen Kirche, als man dem Pfarrer noch unreine Gedanken beichten mußte.

Natürlich gibt es eine Art Happy-End: Frankie schläft zum ersten Mal mit einem Mädchen (Lorraine Pilkington), will sie umgehend heiraten und wird von ihr vor die Tür gesetzt – zur Erleichterung der Mutter, für die eine protestantische Schwiegertochter ein Alptraum wäre. Dennoch sieht für Frankie die Welt danach rosiger aus, auch die Abiturnoten haben ihren Schrecken verloren, und am Ende gibt es eine Riesenparty am Strand: eine Art Totenfeier für Elvis Presley, den King of Rock 'n' Roll, der in jenem Sommer 1977 gestorben ist.

Die Rollen sind hervorragend besetzt. Jared Lato als Frankie ist spätestens seit diesem Film Schwarm aller irischen Teenies. Die Mädchen, die während der Dreharbeiten in Howth einen Schnappschuß von ihm gemacht haben, konnten die Fotos später für teures Geld an ihre Klassenkameradinnen verkaufen. Auch Catherine O'Hara, die Kanadierin, spricht wie Lato mit überzeugendem Dubliner Mittelklasse-Akzent. Der Dialekttrainer der beiden war übrigens ein Grieche, Poll Moussoulides. In den Nebenrollen glänzen Stephen Rea als schnoddriger Dubliner Taxifahrer und Colm Meaney, dessen Filmpalette von „Raumschiff Enterprise“ bis zu den „Commitments“ reicht, als schmieriger Fianna-Fáil-Politiker. Zu erwähnen ist auch der kleine Ciaran Fitzgerald, der schon bei „Into The West“ auf sich aufmerksam machte und hier Frankies behinderten Bruder Noelie spielt. Und dann die Musik! Ralf Sotscheck

„The Last Of The High Kings“. Regie: David Keating. Mit Gabriel Byrne, Jared Leto, Stephen Rea u.a. 104 Min.

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