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■ Zur EinkehrIm Al Carrello

Einen Fehler darf man nicht machen: Ins „Al Carrello“gehen und glauben, daß man dort beispielsweise zu acht oder neun Personen jeweils ein anderes Gericht bestellen dürfe. Halt. Stop. Der Satz war natürlich viel zu lang. Richtig müßte er lauten: Einen Fehler darf man nicht machen: Ins „Al Carrello“gehen.

Wer dort nämlich zu acht oder neun Personen jeweils ein anderes Gericht bestellt, sollte mucksmäuschenstill sein, wenn nach einer geschlagenen dreiviertel Stunde das Essen serviert wird. Denn wer darauf hinweist, es habe etwas zu lange gedauert, riskiert, vom Ober regelrecht angebrüllt zu werden. Schließlich trage die Gruppe selber die Schuld, wenn jeder etwas anderes bestelle.

A propos bestellen: Bis es dazu kommt, kann ebenfalls locker mal eine dreiviertel Stunde vergehen. Und wenn man auch noch die Chuzpe besitzt, diese beiden Wartezeiten zusammenzurechnen und wahrheitsgemäß moniert, daß man inzwischen eineinhalb Stunden auf das Essen warte, dann ist endgültig Schluß mit dem Frieden. Denn hier empfindet sich der Ober weniger als Dienstleister denn als Obrigkeit. Und als solche wehrt er Kritiker gerne mal mit einem – freilich überflüssigen – Lokalverbot ab.

Wie sich ein solcher ehemals als gemütliches Dinieren geplanter Abend in der Folge zu einer höchst dynamischen, in psychosomatischer Magenverstimmung gipfelnden Veranstaltung entwickelt, mag sich jeder selber ausmalen. Diese Verstimmung am Ende mit einer Runde Grappa überwinden zu wollen, ist freilich schon wieder ein Fehler. Denn solch eine Runde kann pro Person locker mit 21 Mark zu Buche schlagen. Tja, man hätte eben sagen müssen, daß man den billigen Grappa meint.

Noch was vergessen? Ach ja: das Essen. „Kaninchen mit Steinpilzen“stand da zum Beispiel verlockend auf der handgeschriebenen Tagestafel (26,50 Mark). Es entpuppte sich als ein muffeliger Geselle, der an Altersschwäche verendet zu sein schien. Aber die „Gambas in Prosecco“(34,50 Mark) klangen wirklich nicht schlecht. Waren sie aber. Zähgekocht und mit einer Soße überzogen, die allenfalls zum Standardschnitzel in Weißwein noch hätte durchgehen können – obwohl sie auch hierfür viel zu dick gebunden war. Dagegen wären die Bandnudeln mit verschiedenen Pilzen (14,40 Mark) beinahe ein Gedicht gewesen, wenn man sie nicht lauwarm serviert hätte. Aber Schluß damit. Denn wie gesagt: Einen Fehler sollte man nicht machen ...

Moritz Wecker

Al Carrello, AmDobben35.

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