: "Liebe taz..."Schmähung nicht verdient -betr.: "Im Landgericht", taz-Bremen vom 30./31.8.1997
Betrifft: „Im Landgericht“, taz vom 30./31.8.1997
Ihr Autor „dah“hat die Kantine des Gerichtshauses samt ihren Besuchern als Gesamtkunstwerk eingestuft. Wir treten damit in Konkurrenz zu „Roxys“, dem (wie lange noch?) bekannteren Bremer Enviroment-Objekt von Edward Kienholz in Neuen Museum Weserburg. Der Eindruck, daß Ihr Autor von der Kunstkritik genauso viel versteht wie von seinem Frikadellen-Geschmackstest, wird jedoch getrübt durch seine Bildbeschreibung, ein Wandbild zeige eine „servierende Maid, gemalt im Stile alter holländischer Meister.“Diese Schmähung haben das Bild (und die Kantinenwirtin) nicht verdient. In Wahrheit handelt es sich um die Wiedergabe eines der größten Anziehungspunkte der Dresdener Sempergalerie: das Pastell-Bild „Das Schokoladenmädchen“des Genfer Malers Jean-Etienne Liotard (1702-1789).
Die Kunstwelt rühmt das Original seit 1746 mit den Worten des Grafen Algarotti als „das schönste Pastell, das man je gesehen hat.“Wer die Kunstschätze der Dresdner Sammlung nicht kennt, läuft Gefahr, auch Abdrucke der „Sixtinischen Madonna“abzutun mit der Beschreibung „schwebendes Mädchen mit ländlichen Gesichtzügen und neckischen Engeln am Bildrand.“
Berndt-Adolf Crome
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