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Das Tennisnetz zwischen Gut und Böse

■ Kläglicher Intendantenantritt: „Macbeth“als inszenatorisches Toastbrot von Steven Pimlott in der Staatsoper

Das soll eine Antrittspremiere gewesen sein? Meine Sause! Nach den vielen mutigen Statements von Ingo Metzmacher, dem neuen Generalmusikdirektor, und Albin Hänseroth, dem neuen Intendanten der Staatsoper, mit denen sie im Vorhinein die Erwartung schürten, Hamburg werde jetzt die zeitgenössische Oper bekommen, die einen Maßstab fürs nächste Jahrzehnt setzen kann, bot die Eröffnung mit Verdis Macbeth eine derart biedere Kost, daß es selbst aus der Nekropole des Abonnements „Buh“schallte. Und völlig zu Recht.

Was der Brite Steven Pimlott hier als Interpretation eines der größten Stoffe der Weltliteratur anbot, verdiente Kleists Beschreibung eines Gewölbes, daß nur deswegen ohne Stützen stehen könne, weil alle Steine auf einmal einstürzen wollen. Hier war alles banal, und es stimmte nichts.

Schon die harte Unterteilung der Bühne in eine schwarze und eine weiße Seite, die nach Bedarf hin- und hergeschoben wurde, als sei die Grenze zwischen Gut und Böse ein Tennisnetz, über das man die Hauptdarsteller spielt, ließ Schlimmes befürchten. Katastrophal aber wurde es dort, wo der zentrale Konflikt zwischen Lady Macbeth und ihrem Gatten, der diesem Drama seine Berechtigung verleiht, von Darstellern geboten wurde, deren Eindimensionalität die völlige Unfähigkeit des Regisseurs bewies.

Dolora Zajick singt zwar recht schön, wenn auch ohne rechte Beteiligung aus den Körperzonen, wo man Lady Macbeths Seele vermuten darf. Ihre schauspielerische Leistung zeigte aber ein derartig stures Schweigen, daß man auch ein Tonband hätte anstellen können. Und Franz Grundheber spielte, was er immer spielt, wenn man ihn nicht mit Sinn drangsaliert: den schmerzenden Helden, den ewig Grämenden, der einem nicht erklären kann, woher seine Verzweiflung eigentlich rührt.

Daß Macbeth aus Verwirrung und Ehrgeiz besteht, davon scheint Grundheber ebensowenig etwas zu wissen wie sein Regisseur. Und daß man nicht zwei Sänger die Macbeths spielen lassen kann, die in drei Stunden nicht einen einzigen Funken zwischen sich zünden können, das darf nicht passieren – zumal nicht, wenn man seine Visitenkarte in einer neuen Stadt abgibt.

Aber nicht nur, daß Pimlott nichts zu sagen hat, er versteigt sich auch noch zu den übelsten Geschmacklosigkeiten und Klischees, die selbst einem Opernpublikum mit bekannt niedrigen Ansprüchen an Inszenierungen die Schuhe ausziehen muß. Da wird der ermordete König als Jesusgestalt dargestellt, und die Hexen erhalten die dralle Form von überdimensionierten sekundären Geschlechtsmerkmalen und müssen dann auch noch einen peinlichen Besentanz aufführen. Doch selbst von derart platten Regieeinfällen gibt es so wenig, daß die Musik für sich alleine sprechen muß.

Welch Segen, daß sie das kann. Von einigen rhythmischen Unstimmigkeiten zwischen Chor und Orchester abgesehen, dirigierte Metzmacher Verdi in einer großen Spannkraft zwischen Impulsivität und Zartgefühl. Zumindest dieses Versprechen für eine bessere Zukunft ließ sich einlösen. Mit mehr solch inszenatorischem Toastbrot aber verspielen Hänseroth und Metzmacher allen Kredit wieder, den sie sich nach den lang anhaltenden Querelen um ihre Berufung überzeugend erarbeitet hatten.

Die Hamburgische Staatsoper braucht Pfeffer und Zeitgeist und keine schwarz-weiße Strickware und intellektuelle Sorglosigkeit. Kees Wartburg

weitere Aufführungen: 12., 16., 19.,, 23. und 26. September, jeweils um 19.30 Uhr, Staatsoper, Dammtorstraße

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