: Die Panzertruppe von Kleist
■ Karen Kilimniks Zeichnungen sind von Models und Terrorist Models bevölkert, „The Blitz“ reimt sich auf Glitz
Wer die ungelenken, rohen Zeichnungen von Raymond Pettibon mag, muß die Zeichnungen von Karen Kilimnik eigentlich lieben. Denn einerseits sind ihre Tuschblätter mit dem schrägen zeichnerischen Duktus und Beschriftungen wie „I'm not who you think I am + I hate you too“ Pettibons Comics stark verwandt. Andererseits benutzt sie auch öfter mal zarte Pastellfarben, und dann sieht ihr Surfer, dem sie einen Bogen und ein Bündel Pfeile auf sein Brett legt, wie ein von Fragonard gemalter Liebesgott aus.
Pettibon beschwört das Monster Charles Manson, sie interessiert die magere Schönheit von Kate Moss („Leap Into My Arms Or ... How to succeed at Murder/ Girls Club (Kate Moss with Sparkles)“). Das macht ihre Sache erst einmal erfreulicher, ohne daß sie deswegen harmlos wäre, wie beim Durchblättern des Bildbandes deutlich wird, der jetzt anläßlich ihrer Einzelausstellung in der Kunsthalle Zürich im Frühjahr dieses Jahres erschienen ist.
Pettibon schlachtet das männliche Fantum aus, den Fanatismus für Sex, Gewalt, Surfen, Drogen, Gitarren und Hollywood im Pulp- Fiction-Format. Kilimnik beschwört eine weibliche Subkultur. Den Enthusiasmus für Sex, Schönheit, Hunger, Drogen, Pferde, Designerkleider und Filme wie „Pretty Woman“. Die New Yorkerin bewegt sich wie ihr zwei Jahre jüngerer Kollege von der Westküste im Feld von Popkultur und „American Psycho“. Tatsächlich ist ihre Haltung der Bret Easton Ellis' verwandt, der den Schauerroman für unser Fin de siècle noch einmal rehabilitierte, nicht auf seiner phantastischen, sondern auf einer rein materialistischen Basis.
Zunächst scheint Kilimniks exzessive zeichnerische Beschäftigung mit Models und Mode auf den frühen Andy Warhol zu verweisen. Doch anders als er arbeitete sie nie für die Modeindustrie. Ihre Obsession für die Welt der Laufstege, der glänzenden Partys und des vielen Geldes ist die Obsession derjenigen, die draußen steht.
Kilimnik phantasiert sich also hinein. Da paßt es, daß die Bedrohung ihrer Protagonistinnen durch Vampire ein stetes Motiv ihrer Zeichnungen ist. Sieht sie sich selbst als einen? Ohne daß dies jemals explizit würde, ist sie jedenfalls immer mit im Bild. Isabelle Adjani, nur mit einem schwarzen BH bekleidet, schaut ihre Porträtistin in einer Weise frontal an, daß man glaubt, sie unterhalte sich gerade mit ihr. Dagegen steht allerdings, daß Kilimnik Adjani keinen Mund gönnt, den sie durch eine schwarze Augenmaske ersetzt. Ihr Porträt von der B.B., die einen schweren Köter hochhievt, ist freundlicher. Der stark gealterte Star sieht ansteckend vergnügt, etwas verrückt und gleichzeitig hinreißend sechzehnjährig aus.
Überhaupt läuft Kilimniks Phantasie für die von ihr zum Sujet erkorene Welt ziemlich wild. Caroline von Monaco, Susanne Albrecht und Eva Haule agieren für sie gleichermaßen als Terrorist Models: „perfect features/so pretty/ good eye brows/mouth/eyes“. Isabelle Adjani taucht noch einmal als pastellkreidene Schönheit auf – wie sie sich gezwungen sieht, im Fernsehen bekanntzugeben, sie sei nicht HIV-positiv. Und schließlich pinselt Kilimnik eine Leserinnenzuschrift an die Vogue ab, die 1992 gegen die neueste Retro-Mode einwendet: „All I remember about the sixties was the Vietnam War, the extremely widespread drug culture that affected rich + poor alike, + it was pure hell.“
Über Karen Kilimnik ist wenig bekannt, und der großformatige Katalog, den sie maßgeblich mitgestaltet hat, gibt schon gar keine Auskunft über sie. Keine Vita, nichts. Bleiben nur Mutmaßungen. Warum streut sie die Aufmarschpläne der deutschen und der französischen Armeen im Zweiten Weltkrieg zwischen einen Walt- Disney-Elch und ein Farbfoto des Pink Panther? Daß sich in den Mode- und Gesellschaftsjournalen zwischendurch auch militärgeschichtliche Landkarten finden, die Kilimnik abzeichnen könnte, scheint wenig wahrscheinlich. Was gibt ihr Anlaß zur peniblen Auflistung der Heeresgruppen A bis C, samt der Panzertruppe von Kleist? Zur bösen Verbindungslinie zwischen „The Blitz“ und Glamour und Glitz? Brigitte Werneburg
„Drawings by Karen Kilimnik“. Scalo Verlag Zürich 1997, 142 S., brosch., 78 DM
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