: Der gefesselte Kanzler
■ Deutschland braucht eine Anti-Euro-Opposition
Die Euro-Debatte wird der Kanzler bis zum Wahltag nicht mehr los – und das ist nicht das Schlechteste. Besser wäre noch, es formierte sich endlich eine richtige Anti-Euro-Opposition in der Bundesrepublik. Anders ist das tiefsitzende Mißtrauen vieler Bürger gegenüber dem Euro wohl nicht mehr zu besiegen. Und anders wird sich Europa auch nicht mehr aus der Ökonomiefalle befreien können.
Allzu große Hoffnungen sollte man sich jedoch nicht machen. Europa ist in Deutschland kaum mehr als eine ressentimentgeladene Dreikommanull. Und der Kanzler hat Europa zu seiner Privatangelegenheit gemacht. Er hat sein politisches Schicksal damit verbunden. Daran leidet die ganze Debatte. Wer wie Kohl den Euro zu einer Frage von Krieg und Frieden macht, der muß sich nicht wundern, wenn seine Gegner schwere Geschütze auffahren. Wer den Frieden nicht will, insbesondere den mit Kohl nicht, der findet kein bessere Waffe im Kampf gegen den Kanzler als den Euro.
Auf diesem doppelten Boden steht jedes Argument von Stoiber, Biedenkopf oder Schröder. Natürlich ist Stoiber für eine harte D-Mark, weil er sich ein Europa nur in deutschen (oder bayerischen?) Farben vorstellen kann – aber der bayerische Ministerpräsident profiliert sich mit seinem schwachsinnigen Drei-Komma-null-Gerede auch gegen den Kanzler. Natürlich sind die Argumente Biedenkopfs für eine Verschiebung der Währungsunion ökonomisch ernst zu nehmen – aber der sächsische Ministerpräsident weiß, daß der Euro politisch nicht mehr aufzuhalten ist. Sein Angriff gilt Helmut Kohl, dem er einen Sieg 1998 nicht mehr zutraut. Natürlich ist die Angst der Deutschen vor einem weichen Euro, die Schröder aufgreift, durchaus real – aber der Niedersachse weiß, daß sein Populismus den Bürgern diese Angst nicht nimmt, sondern nur ihm selber hilft, als Kanzlerkandidat Punkte zu machen.
Helmut Kohls Satz, der Euro kommt jetzt oder nie, Punkt, aus, Feierabend, mag realpolitisch richtig sein. Diese Drohung symbolisiert jedoch vor allem Kohls Dilemma: Sie läßt ihm keinen Spielraum mehr für irgendeine Diskussion. Jetzt rächt sich, daß der Kanzler eine Volksbefragung über den Euro nicht wollte. Er ist zum Gefangenen seiner eigenen, autoritären Europapolitik geworden. Jens König
Bericht Seite 4
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