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■ Urdrüs wahre Kolumne„Naja, Kinder eben!“

Der befreundete Arbeiterführer aus Gröpelingen steckt mir dieser Tage sein Erlebnis im ortsansässigen Geschäft für Gartenbedarf: Ein Parzellist verlangt nach einer Maulwurfsfalle und erfährt von der Verkäuferin, daß es solche Mords-Instrumente aus Gründen des Natur- und Artenschutzes nicht mehr gäbe. Doch dann kommt hilfreicher Rat aus Expertinnenmund: „Nehmse doch die Wühlmausfalle, die is erlaubt. Und wenn sich da son Maulwurf vertut, kann man auch nix machen“. So isses!

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Schon wieder mal steht ein bremisches Handelshaus im Verdacht, im illegalen Waffenhandel tätig zu sein. Falls jetzt der amtierende Bürgermeister, wie weiland im Golfkrieg Klaus Wedemeier, dazu aufrufen sollte, die todbringenden Exporteure aus der Stadt zu jagen, empfehle ich Bürgern dieser Stadt, sich diesen Appell schriftlich geben zu lassen. Wenn man diese Verbalradikalinskis nämlich ernst nimmt, wird man schon wegen eines Wacker-steins vor den Richter zitiert: Auf die Bürgermedaille für Verdienste um den guten Ruf Bremens warte ich bisher vergebens.

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Ziemlich kackebraun roch es gestern an der Supermarktkasse, als ein südländischer Mitbürger seinen Einkauf mittels Sozialamts-Gutschein bezahlen wollte und eine Volksgenossin mit eingebranntem Kennzeichen D im Gesicht die Kassiererin anfauchte: „Die Zigaretten und das Bier dürfense dafür gar nicht rausgeben, nur Grundnahrungsmittel sind erlaubt!“Eine solche Pöbeltrulla wird Elton John niemals als Königin der Herzen besingen. Vermutlich sehen wir sie wieder als Zettelverteilerin im Gerhard Schröder-Kanzlerwahlteam...

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Im Kampf um das Menschenrecht auf öffentliches Trinken hat der Endesunterzeichnete jetzt Verhandlungen mit Brauereien und führenden Ratswein-Depots aufgenommen, um diese als Sponsoren für ein Sauf-In zur Eröffung des Freimarkts zu gewinnen. Unter der Voraussetzung, daß der WIR IM VIERTEL-Bürgerwehrmann Stefan Schafheitlin mit den Worten „Rechtsstaat schön und gut. Aber wenn die Probleme nicht gelöst werden können, müssen wir jetzt handeln“richtig zitiert wurde, soll ihm bei dieser Gelegenheit ein kollektiver Verachtungsschluck zuteil werden.

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Von Njujork lernen heißt, siegen lernen – so jedenfalls die aktuelle Latrinenparole (vulgo: Sicherheitsphilosophie) unter den Marshalls und Sheriffs bundesdeutscher Großstädte. Auch der hiesige Dorfbüttel Ralf will nach seinem Manhatten-Trip jetzt die Nationalgarde in Gestalt des Bundesgrenzschutzes einsetzen. So dürfen wir damit rechnen, daß Autofahrer bei Verkehrskontrollen breitbeinig auf der Motorhaube ihres Audi 80 liegen, während die Organe der öffentlichen Sicherheit nach Wumme, Spritzbesteck oder Brieftasche tasten. Und wehe, da ist nix, auweia!

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Wie die Norddeutsche Mission in Bremen mitteilte, hat die Synode der evangelischen Kirche in Ghana 1.000 Mark für die Opfer der Oder-Flut gespendet. Ob das ausreicht, um Ghanesen davor zu schützen, bei Discobesuchen oder Straßenbahnfahrten in Frankfurt/Oder zu Opfern der Flutopfer zu werden? Man wird ja mal fragen dürfen ...

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Sitzt mir jetzt ein Bubenpaar im besten Alter von zehn Jahren im Bus gegenüber und deklamiert Worte wie „Fickenvögeln“. Und die konservative ältere Dame neben mir lächelt und lächelt und murmelt mir zu „Naja, Kinder eben. Wir ham auch viel Quatsch gemacht“. So kränkend zunächst auch das vereinnahmende „wir“empfunden wurde: Solche Menschen braucht das Land. Ich hoffe nur, es lag nicht am defekten Hörgerät. Ulrich Reineking etc.

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