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Eine Million Mark eßbares Geld

■ Zur Zeit stellen an allen Ecken und vielen Enden der Stadt ungarische Künstler aus

Vom Kuturabkommen zwischen Hamburg und Ungarn hatte man wenig gehört. Kurz vor der anstehenden Verlängerung bemerkten das sogar die Behörden, und so wurden rasch die gerade in Hamburg laufenden ungarischen Kulturtage aus der Taufe gehoben. Das Abkommen ist inzwischen verlängert, die Politiker sind abgereist – zurück bleiben mehrere Ausstellungen.

Da spielt zur Eröffnung schon mal eine Zigeunerkapelle, aber was an Kunst angeboten wird, ist alles andere als folkloristisch. An dem Land, das in das europäische Haus einziehen will, ist für die meisten nur noch die Sprache etwas exotisch: Összeköltözö Hazak heißt die Ausstellung 14 junger Künstler aus Budapest im Kunsthaus. Das ist in etwa mit „zusammenziehende Häuser“ zu übersetzen, wird von Gabor Gerhes ganz direkt dargestellt und meint paradox und doch sinnfällig räumliche und kulturelle Annäherung komplexer Systeme.

Als Haltung hinter vielen Arbeiten ist eine gewisse Ironie zu spüren, eine Liebe zum marginalen Detail. Agnes Eperjesi und Tibor Varnagys Gebackenes Bild ist eine Installation von Kuchenformen mit dekorativen Teigresten. Balazs Beöthy formt seine Kreise aus Zigarettenschachteln, Endre Koronczi seine Kleinplastiken aus Seife. Fotos und fünf durch Peitschen verbundene Keramiken von Gabor Rosko hören auf den Titel Das Mittelreich oder warum es so schwierig ist, sich von schädlichen Gewohnheiten zu befreien. Gedankenspiele, die in der fast Hegelschen Klarheit der Glasinstallation Festgehaltene Würfe von Ottó Vincze gipfeln.

Bereits arriviertere Künstler zeigt die Galerie Chapel Art. Hier kommentiert Karoly Klimo die Umbrüche der Zeit mit Malerei über die energetische Urkraft warmlodernden Feuers. Der Professor der Budapester Akademie bezieht seinen Stil auf die Kunst der Gruppe Cobra, die nach dem Krieg ebenfalls eine Epochenwende mit expressiver Malerei kommentierte. Der 46jährige Botond hat nach seinen Kombinationen von Metallplastiken und großformatigen Zeichnungen sich ein bemerkenswertes, langfristiges Projekt vorgenommen. Er will den Geist der legendären Bibliothek von Alexandria rekonstruieren. Seit Jahren schweißt er die wichtigsten Bücher der Welt in Eisenblech ein. Nach diversen Zwischenpräsentationen sollen an die 3.000 individuell geformten Buchplastiken als Kulturkonserve in einer nicht zugänglichen Bibliothek im ägyptischen Alexandria verschlossen werden. Es ist eine intelligente Hommage an den Geist der Spätantike und an die Autoren Jorge Luis Borges und Umberto Eco.

Das Kulturabkommen als solches untersucht das gleichnamige Projekt der PBK mit fast 40 ungarischen Künstlern. Wenn ein Tiger-Hasen-Ready-Made vom Bauzaun des Museums für Kunst und Gewerbe schaut (Csaba Nemes), 400 bunte Bausteine des indoor-climbing-Sports an der Kirchwand kleben (Istvan Szili) und sich künstlerische Interventionen auf den Toiletten des Kunsthauses ausbreiten, sind dies Reaktionen auf die realen Orte aller Unterzeichner-Institutionen des Kulturabkommens. Manche Häuser wollten den Kulturkommentar aus Ungarn aber doch nicht so direkt: So verzichtete die Börse auf eine Million Mark eßbares Geld, und der Senat fand es gar nicht witzig, daß der Satz „Arbeite Gratis!“ auf die Treppen des feierlichen Staatsaktes zur Vertragsverlängerung projiziert werden sollte.

Hajo Schiff

„Zusammenziehende Häuser“: Kunsthaus, Di–So 11– 18, bis 5. 6.; Botond, Karoly Klimo, Tamas Kopaz und Laszlo Lakner: Chapel Art Center, Bebelallee 153, Mi 10–18 Uhr (u.n. Vereinb.), bis 28. 6. „Kulturabkommen“: Ausstellungsforum auf der Aussichtsplattform der St. Jakobi-Kirche, Mi–Sa 14–17 Uhr, bis 28. 5.

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