: Streit in der ÖTV um Lohnverzicht
■ ÖTV-Arbeiter wollen nicht auf Geld verzichten, um Jobs zu retten. Im Osten ist das anders: Dort genießen die Beschäftigten kaum Kündigungsschutz
Alsfeld/Berlin (dpa/taz) – Geld oder sichere Jobs? Darüber zeichnet sich ein Konflikt zwischen Führung und Basis in der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) ab. Es geht um die Marschroute in der bevorstehenden Tarifrunde. Die Arbeiter in der ÖTV stimmten gestern bei ihrer Bundesversammlung im hessischen Alsfeld gegen den Vorstoß des Vorsitzenden Herbert Mai, für die Sicherung von Beschäftigung kürzere Arbeitszeiten ohne vollen Lohnausgleich anzubieten.
ÖTV-Bundesarbeitssekretär Ulrich Hoffmann sagte, auf der Tagung sei einstimmig beschlossen worden, daß die ÖTV für eine kürzere Wochenarbeitszeit mit der tarifvertraglich vereinbarten Schaffung neuer Arbeitsplätze auch im Arbeiterbereich eintreten solle, die jedoch „nicht in das Portemonnaie der Kolleginnen und Kollegen greift“.
Auch in einzelnen ÖTV-Bezirken wie Baden-Württemberg und im rheinischen ÖTV-Bezirk (NRW I) regt sich Widerstand gegen den Vorschlag, auf Arbeitszeit und Gehalt zu verzichten, um Jobs zu retten. Die Große Tarifkommission entscheidet am nächsten Donnerstag und Freitag über die Marschroute bei den kommenden Tarifverhandlungen für die 3,2 Millionen Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst. Von den 1,8 Millionen ÖTV-Mitgliedern sind mehr als 400.000 Arbeiter. Diese sind in vielen Fällen schlechter bezahlt als die Angestellten und waren deswegen auch in der Vergangenheit weniger bereit, im Tausch mit kürzerer Arbeitszeit auf Lohn zu verzichten.
Hoffmann sagte, von 1991 bis 1996 seien 300.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst abgebaut worden. Das sei etwa ein Viertel der Beschäftigungsverhältnisse. „Nach wie vor sind es die Arbeitsplätze der unteren Einkommensbezieher, die zuerst plattgemacht werden.“ Besondere Verärgerung hätten bei den Tagungsteilnehmern die Haushaltsplanungen von Bund, Ländern und Gemeinden hervorgerufen. So gebe es in Nordrhein-Westfalen kaum eine Kommune, die keinen weiteren Abbau im Arbeiterbereich plane.
Im Osten hat die ÖTV vielerorts Lohnverzicht und Arbeitszeitverkürzung ausgehandelt, um damit Jobs zu sichern. Dort herrscht nicht der gleiche Kündigungsschutz wie im Westen. Vor allem im Kita-Bereich wechselten Tausende von ErzieherInnen in die Teilzeit, um so KollegInnen oder sich selbst vor einer Kündigung zu bewahren. Brandenburgs ÖTV- Chef Werner Ruhnke: Wer einen sicheren Job hat, denkt an Lohnerhöhung. Wer aber vor der Kündigung steht, unternimmt alles, um seinen Job zu behalten.
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