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■ Südafrika: Vorwürfe gegen Winnie und Nelson MandelaDie Gegenwart bewältigen

Südafrika macht meistens nur durch seine Vergangenheit Schlagzeilen. Die unvorstellbare Brutalität der Apartheid, die Tausenden Toten und die vielen Millionen zerstörten Lebensschicksale – sie sind trotz der beachtlichen Vergangenheitsbewältigung noch längst nicht aufgearbeitet. Die Wunden sitzen zu tief. Unbelastete gibt es nicht. Gerade daher war es bei der Errichtung des „neuen Südafrika“ so wichtig, in der Person Nelson Mandelas eine Lichtgestalt zu schaffen, die unbelastet erschien und daher in Abhebung von der düsteren Vergangenheit eine helle Zukunft verkörpern konnte.

Nun ist der Name Mandela angekratzt. Daß seine ehemalige Frau mit ihrer berüchtigten Privatmiliz „Football Club“ eine zwielichtige Figur war, wußte man ja, und unter anderem deshalb hatte sich der Präsident noch vor dem Ende der Apartheid von ihr getrennt. Aber daß sie beim Mord von vermeintlich Abtrünnigen auch selber Hand anlegte und daß Nelson Mandela selber mithalf, einen unliebsamen Mordzeugen per Abschiebung in ein sambisches Foltergefängnis aus dem Weg zu schaffen – damit wird Südafrika so schnell nicht fertig werden. Denn dies ist nicht nur Geschichte, sondern es gestaltet auch die Gegenwart.

Die ersten reflexhaft ablehnenden Reaktionen auf die neuen Enthüllungen zeugen denn auch davon, daß dieser Teil der Vergangenheit Südafrika überfordert. „Auch wenn das stimmt, müssen wir an Nelson glauben“, faßt der Schriftsteller Rian Malan das südafrikanische Unvermögen, bestimmten Realitäten ins Gesicht zu schauen, zusammen. „Die Alternative ist einfach zu grauenvoll.“

Denn was für eine Alternative gibt es denn? Nelson Mandela will noch dieses Jahr die ANC-Führung abgeben und 1999 auch nicht mehr als Präsident wiedergewählt werden. Von Winnie Mandela, der Revolutionsheldin der Townships, erwarten manche danach den Griff nach der Macht. Mit der des Mordes beschuldigten Präsidentin der ANC-Frauenliga übt die eigene Partei schon heute den solidarischen Schulterschluß. Von kritischer Debatte kaum eine Spur. Es wird ein paar mutige Richter brauchen, damit die Wahrheitskommission nächste Woche den Konsens des Schweigens bricht.

Vielleicht ist es ja endlich an der Zeit, daß auch Südafrikas Gegenwart einmal Schlagzeilen macht. Daß es ausgerechnet solche sein müssen, hat der ANC sich selber zuzuschreiben. Dominic Johnson

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